Reicht die "Brennstoffzellen-Phantasie"?
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Umbau der Wirtschaft in Richtung nachhaltige Energie-Erzeugung hat in den letzten Monaten Fahrt aufgenommen, da erzähle ich Dir sicher nichts Neues. Die geplanten riesigen Investitionsprogramme in den USA und in Europa sollen dazu beitragen die Erderwärmung zu bremsen.
In China werden schon seit Längerem z.B. die Erzeugung Erneuerbarer Energien und die E-Mobilität gefördert, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es gibt einige Rohstoffe, die für diesen Umbau benötigt werden, neben Lithium, Cobalt und Kupfer wird dabei oft Platin genannt.
Die Platin-Metalle, zu denen auch Palladium und Rhodium zählen, besitzen spezielle chemische Eigenschaften, die sie für den Einsatz in Katalysatoren besonders geeignet machen. Sie finden daher in vielen Industrien Anwendung, ganz besonders aber in der Auto-Branche.
Großer Bedarf in der Auto-Industrie
Bei Platin entfallen 30 bis 40 Prozent der jährlichen Nachfrage allein auf die Auto-Industrie, bei Palladium sind es sogar 85 Prozent. Palladium wird dabei besonders in Benzin-Motoren eingesetzt.
Die Palladium-Nachfrage aus der Auto-Industrie ist wegen immer strenger werdender Abgas-Vorschriften seit 2016 um 17 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat die Produktion der Minen stagniert. Das Angebot aus Recycling hat zwar nicht deutlich zugenommen, konnte aber nicht verhindern, dass der Markt seit Jahren einen Nachfrageüberschuss aufweist.
Anders verhält es sich bei Platin: Das Edelmetall wird in der Auto-Industrie eher in Diesel-Motoren eingesetzt und diese Technologie ist seit dem Abgas-Skandal auf dem Rückzug. Jedenfalls ist der Platin-Verbrauch der Auto-Industrie global gesehen seit 2016 um 13 Prozent gesunken.
In den letzten 5 Jahren hat sich der Preis von Palladium daher deutlich besser entwickelt als der von Platin, wie dieser Chart zeigt:
Platin im Fokus der Finanz-Investoren
Seit 2019 ist Platin aber wieder stärker gefragt, besonders Investoren haben verstärkt ETFs sowie Platin-Barren gekauft. Mit über 1.000 Unzen pro Jahr war die Investment-Nachfrage so hoch wie seit vielen Jahren nicht. Dadurch wurde der eigentlich am Markt bestehende Angebotsüberschuss in einen Nachfrageüberschuss verwandelt.
Im Februar ist der Platin-Preis durch diesen Rückenwind auf den höchsten Stand seit 2014 gestiegen. Ein wichtiger Grund für das neue Interesse der Anleger an Platin ist, dass das Edelmetall als Profiteur der Energiewende gilt. Denn Platin findet auch in Brennstoffzellen Anwendung sowie in den Diesel-Motoren von Hybrid-Fahrzeugen.
Das könnte in den nächsten Jahren einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Platin zur Folge haben. Doch das ist Zukunftsmusik bzw. Spekulation, aktuell bestimmen andere Faktoren die Preisentwicklung.
Jedenfalls hat sich der Aufwärtsdruck nicht fortgesetzt. Nach dem Markieren des langjährigen Hochs zeigte der Platin-Preis in den letzten Wochen keine klare Kursrichtung. Diese Unentschlossenheit spiegelt durchaus die Prognosen für die Angebots- und Nachfrageentwicklung in diesem Jahr wider.
Angebots-Überschuss am Platin-Markt?
Die namhaftesten Herausgeber von Studien zum Platin-Markt, das World Platinum Investment Council (WPIC), Johnson Matthey und Metal Focus, kommen in ihren aktuellen Vorhersagen für 2021 zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Während das WPIC ebenso wie Metal Focus für den Platin-Markt einen kleinen Nachfrageüberschuss prognostizieren, sieht Johnson Matthey einen deutlichen Angebotsüberschuss. Letzteres spräche aus fundamentaler Sicht für einen Preisrückgang bei Platin.
Die Studien kommen in mehreren Bereichen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was zeigt, wie schwer – und auch wie unsicher – solche Marktprognosen sind. So rechnet Johnson Matthey im Gegensatz zum WPIC z.B. mit einer geringeren Nachfrage durch Juweliere und Investoren.
Auf dem Schmuck-Markt konkurriert Platin mit Gold. Gab es 2020 wegen des hohen Gold-Preises noch eine Substitution von Gold durch Platin, so scheint sich das angesichts des Preisanstiegs bei Platin wieder umzukehren. Japan ist hier ein wichtiger Markt und nachdem Platin die psychologisch wichtige Marke von 4.000 Yen je Gramm überschritten hat, dürfte Marktexperten zufolge die Nachfrage abnehmen.
Kaufen die Investoren weniger Platin?
Besonders Johnson Matthey erwartet daher kaum einen Anstieg der Nachfrage durch die Juweliere in diesem Jahr. Allerdings macht dieser Bereich nur etwa 20 Prozent der Gesamtnachfrage aus. Auf die Industrie entfällt dagegen mehr als 60 Prozent der Nachfrage, und hier gehen beide Prognosen von einem kräftigen Anstieg aus.
Die Experten sehen hier z.B. auch Tendenzen, dass das teurere Palladium bei Benzin-Katalysatoren zunehmend durch Platin ersetzt wird. Bei der Investmentnachfrage nach Barren, Münzen und ETFs erwartet Johnson Matthey nach dem starken Anstieg in den Vorjahren einen regelrechten Einbruch, vor allem weil der höhere Preis Platin unattraktiver gemacht habe.
Mein Fazit
Platin könnte eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen, besonders wenn sich die Wasserstoff-Technologie durchsetzt. In welchem Umfang die Nachfrage deswegen tatsächlich steigt, ist aber sehr unsicher. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, wie z.B. der technologische Fortschritt, das zunehmende Recycling usw. Darauf zu setzen ist sehr spekulativ. Lass Dich nicht blenden, nur weil jemand den Begriff "Brennstoffzelle" in den Mund nimmt!
Kurzfristig ist die Investment-Nachfrage das Zünglein an der Preis-Waage. Der seit 2019 um 50 Prozent gestiegene Preis hat die Nachfrage bereits gedämpft. Das würde sich erst ändern, wenn wieder mehr spekulative Anleger aktiv werden und auf einen langfristigen Anstieg der Platin-Nachfrage setzen. Aktuell sieht es nicht danach aus.
Unter dem Strich ist Platin aber als Beimischung in einem breiteren Edelmetall-Depot durchaus interessant. Wegen der starken Preisschwankungen, sowie wegen der großen Bedeutung der Nachfrage aus der Industrie sind aber weder Platin noch Palladium in einem langfristigen Depot aus meiner Sicht ein adäquater Ersatz für Gold oder Silber.
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