Anleihen sind wieder attraktiv!
Liebe Leserin, lieber Leser,
Anleihen werfen wieder nennenswerte Renditen ab. So bieten 10-jährige deutsche Bundesanleihen aktuell eine Rendite von knapp 2,5 Prozent pro Jahr, noch im Januar 2022 war die Rendite negativ. Der Anstieg der Renditen am Anleihemarkt – für den Bundesanleihen nur ein Beispiel sind – ist in erster Linie auf die hohe Inflation zurückzuführen, und auf die Zinserhöhungen der Notenbanken in Reaktion darauf.
Anleger am Anleihemarkt, man kann in dem Fall auch von Gläubigern oder Kreditgebern sprechen, wollen für den realen Kaufkraftverlust, dem ihr Investment mit der Zeit ausgesetzt ist, eine Kompensation erhalten. Die nominalen Zinsen setzen sich daher sozusagen aus einem Inflationsausgleich zusammen und aus einem realen Zins. Angesichts einer Inflationsrate von aktuell 7,4 Prozent in Deutschland ist der Realzins allerdings immer noch deutlich negativ.
Am Anleihemarkt wird jedoch mit einem deutlichen Rückgang der Inflationsrate gerechnet; daher haben die Anleiherenditen in letzter Zeit nicht mehr angezogen. Auch wird erwartet, dass die Zinserhöhungen der Notenbanken bald zu einem Ende kommen werden, sprich die jeweiligen Leitzinsen ihren Höhepunkt erreicht haben.
Wichtige Notenbanksitzungen in der nächsten Woche
Doch da gibt es regionale Unterschiede: So könnte der Leitzins in der Eurozone durchaus noch von aktuell 3 auf 4 Prozent steigen, bei der nächsten Sitzung am 4. Mai ist jedenfalls eine Anhebung um 50 Basispunkte wahrscheinlich. Die USA sind im Zinszyklus schon weiter, die meisten Experten rechnen damit, dass es bei der Sitzung am 3. Mai eine letzte Zinserhöhung um 25 Basispunkte geben wird und das Zinsniveau dann erst einmal auf diesem Niveau bleibt.
Das Näherrücken des Zinshöhepunkts liegt zum einen daran, dass wichtige Inflationstreiber der letzten beiden Jahre, nämlich Lieferengpässe im Gefolge der Corona-Krise, Knappheit bei Rohstoffen und ein Nachholbedarf bei der Konsumnachfrage, an Bedeutung verlieren. Zum anderen deutet sich in den USA eine Rezession an und auch die europäische Konjunktur verliert an Schwung, das betrifft besonders die Industrie. Geringeres Wachstum und eine geringere gesamtwirtschaftliche Nachfrage verringern den Preisdruck und bremsen die Inflation.
Weniger Inflation und eine geringere Aussicht auf weitere Zinserhöhungen könnten die Anleiherenditen wieder drücken, was gleichbedeutend mit einem Anstieg der Anleihekurse ist. Das ist aber keine ausgemachte Sache. Es ist durchaus möglich, dass die Renditen am Anleihemarkt weiter steigen. Ein Grund könnte sein, dass sich die Konjunktur als stabiler und die Inflation als hartnäckiger erweist als aktuell angenommen. Mehr deutet aber daraufhin, dass der Höhepunkt hier erreicht ist.
Doch unabhängig von solchen Spekulationen ist es anders als noch in den vergangenen Jahren mit negativen oder Mini-Renditen sinnvoll, Anleihen dem Depot beizumischen, sprich zu diversifizieren.
Was den Kurs von Anleihen beeinflusst
Zinsveränderungen, Inflation, Konjunktur, Bonität des Emittenten, diese und noch weitere Faktoren wirken auf die Preisentwicklung von Anleihen ein. Das lässt das Ganze sehr kompliziert erscheinen. Doch das ist es eigentlich nicht. Kaufst Du eine Anleihe bei der Emission und hältst diese bis zum Laufzeitende, dann spielen Veränderungen des Marktzinses oder auch der Bonität des Emittenten in der Zwischenzeit für Dich keine Rolle. Entscheidend ist nur, dass der Emittent nicht pleitegeht und die Anleihe zurückzahlen kann.
Den Kurs der Anleihe beeinflussen die genannten Faktoren aber sehr wohl. Steigt z.B. der Marktzins nach der Emission einer Anleihe, dann sinkt der Kurs der Anleihe unter 100 Prozent. Kaufst Du also in diesem Fall die Anleihe, dann erhältst Du eine höhere Rendite. Denn diese setzt sich aus dem Zinskupon und dem Kursgewinn bis auf 100 Prozent zusammen.
Beispiel: Die bis 2035 laufende Bundesanleihe mit der WKN: 110251 wurde im Mai 2020 mit einem Zinskupon von 0,0 Prozent zu einem Nennwert von 100 Euro emittiert. Inzwischen ist durch den gestiegenen Marktzins der Kurs der Anleihe auf 74,03 Euro gefallen. Wer jetzt die Anleihe kaufen würde, kann mit einer Rendite von 2,53% pro Jahr rechnen, wenn er die Anleihe bis zum Laufzeitende 2035 hält.
Informationen zu dieser Beispielanleihe und zu anderen Bundeswertpapieren findest Du übrigens auf der Seite der Finanzagentur des Bundes.
Breit streuende Anleihe-ETFs
Wer sich über die Auswahl einzelner Anleihen keine Gedanken machen will – Die Auswahl ist riesig! – der kann auf ETFs zurückgreifen. Aber auch hier gibt es hunderte, sortiert nach Emittentengruppen, Regionen und Laufzeiten der enthaltenen Anleihen. Im Gegensatz zu den Anleihen selbst haben ETFs keine Laufzeitbegrenzung. Anleger profitieren zwar von der aktuellen Rendite der Anleihen beim Kauf, aber diese kann durch einen Kursrückgang aufgefressen oder überkompensiert werden.
Wichtig zu wissen: Die Kurse einzelner Anleihen und damit auch die von Anleihe-ETFs reagieren auf Zinsveränderungen. Daher spricht man bei Anleihen und Anleihe-ETFs von einem Zinsänderungsrisiko. Wenn Du aber Anleihen bis zum Laufzeitende hältst und der Emittent der Anleihe nicht pleitegeht, dann spielt das für Dich keine Rolle, die Anleihe wird zu 100 Prozent zurückgezahlt.
Anleihe-ETFs funktionieren anders. Hier werden ständig neue Anleihen hinzugekauft und andere verkauft, die nicht mehr den Kriterien entsprechen. Setzt ein Anleihe-ETF z.B. auf Anleihen mit einer Restlaufzeit von mindestens 1 Jahr, dann werden Anleihen verkauft, deren Restlaufzeit darunter fällt. Eine Haltedauer bis zum Laufzeitende ist nicht vorgesehen.
Auch deswegen ist bei Anleihe-ETFs der durchschnittliche Zinskupon der im ETF enthaltenen Anleihen weniger relevant als die Effektivverzinsung. Das ist die durchschnittliche aktuelle Rendite der Anleihen im ETF. Nicht zu verwechseln ist sie mit der Ausschüttungsrendite, die sich an den Zinskupons orientiert.
Bei Unternehmensanleihen oder bei Anleihen von Emittenten mit schlechterer Bonität ist die Effektivverzinsung höher als z.B. bei Staatsanleihen von Industriestaaten, dafür ist aber auch das Risiko größer. So bietet der Xtrackers Global Government Bond ETF (WKN: DBX0NM), in dem ausschließlich Staatsanleihen aus Industrieländern enthalten sind, aktuell eine Effektivverzinsung von 3,1 Prozent.
Beim iShares Global Aggregate Bond ETF (WKN: A0RGEQ) beträgt diese aktuell 3,5 Prozent, was z.B. daran liegt, dass hier auch Unternehmensanleihen und Anleihen aus Schwellenländern enthalten sind. 40% der Anleihen im ETF sind von US-Emittenten, 12% aus Japan, 9% aus China. Der Rest verteilt sich auf zahlreiche andere Länder. Dass die Rendite in der Regel etwas höher ist, wenn auch in Unternehmensanleihen investiert wird, zeigt sich auch an der Effektivverzinsung von 5,0% beim global in Unternehmensanleihen investierenden iShares Global Corporate Bond ETF (WKN: A1J0YD).
Breit anlegende ETFs, die sich wie die drei genannten auf Anleihen mit gutem Rating („Investment Grade“ oder besser) fokussieren, entwickeln sich in der Regel ähnlich, es ist nicht entscheidend, ob nur Staatsanleihen enthalten sind oder auch Unternehmensanleihen. Das zeigt der Vergleichschart der letzten 5 Jahre:
Allerdings sind in der Kursentwicklung nur beim thesaurierenden ETF von Xtrackers die Ausschüttungen enthalten. Bezieht man diese in den Vergleich mit ein, dann hat in den letzten 5 Jahren der iShares Global Corporate Bond ETF mit einer Performance von 12,1 Prozent am besten abgeschnitten. Der iShares Global Aggregate Bond ETF brachte dagegen nur eine Performance von 4,8 Prozent, der Xtrackers Global Government Bond sogar nur minus 1,4 Prozent.
Mein Fazit
Die Rendite von Anleihen ist gestiegen, das macht diese Anlageklasse auch im Vergleich zu Aktien wieder attraktiver. Dennoch liegen die Renditen von Anleihen von Emittenten mit guter Bonität immer noch unter der aktuellen Inflationsrate, sind real also negativ. Sinken die Inflations- und/oder die Zinserwartungen weiter, dann würden die Renditen wieder fallen, und der Kurs der Anleihen im Gegenzug steigen.
Breit streuende Anleihe-ETFs sind eine einfache Möglichkeit am Anleihemarkt zu investieren. Wer besonders auf Sicherheit setzen möchte, sollte ETFs mit Staatsanleihen bevorzugen. Liegt der Fokus auf Unternehmensanleihen, dann ist nicht nur die Rendite etwas höher, sondern auch das Risiko bzw. die Kursschwankungen.
Mein Podcast-Tipp:
Warnung vor "heftiger Korrektur"
Heute geht es um große Chancen, aber auch um Risiken. Es geht um eine Aktie, in die ich investiert bin. Es geht auch um Luftschlösser, die man sich als langfristiger Investor eben nicht bauen sollte. Es geht um Cathie Wood, den Arc Innovation ETF, Tesla, Zoom, Roku und darum, wie klassische Sell-Side-Analysten arbeiten. Legen wir los...
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Und bitte nicht vergessen eine positive Bewertung/konstruktive Rezension abzugeben, vielen Dank ;-)
Herzliche Grüße und bis kommende Woche
Dein
Lars Erichsen
Chefredakteur Rendite-Report
www.rendite-report.de
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