Die Deutsche Börse erweitert den DAX – Was bedeutet das für uns als Anleger?
Liebe Leserin, lieber Leser,
nach einigem Ringen hat die Deutsche Börse im letzten November beschlossen, den DAX im September 2021 auf 40 Mitglieder zu erweitern. Der Index-Anbieter zieht damit die Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal, der für viele Anleger schmerzhaft und für die Deutsche Börse in einem PR-Desaster endete.
Neben der Neuaufnahme von 10 weiteren Aktien ändern sich auch die Regeln. Wer seinen Quartals- oder Jahresbericht nicht pünktlich vorlegt, bekommt eine Gnadenfrist von 30 Tagen, ehe der Rauswurf aus dem DAX per „Fast Exit“ erfolgt. Langwierige Hängepartien wie bei Wirecard sollen so vermieden werden.
Auch die Auswahl-Kriterien ändern sich. So spielt der Handels-Umsatz künftig keine Rolle mehr, nur eine Mindest-Liquidität ist für eine DAX-Aufnahme notwendig. Neu ist die Gewinn-Verpflichtung für DAX-Kandidaten in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren. Diese Regelung ist als Reaktion auf die Aufnahme von Delivery Hero für Wirecard zu sehen.
Warum allerdings noch nicht profitable, schnell wachsende Unternehmen von einer DAX-Aufnahme ausgeschlossen bleiben, erschließt sich mir nicht. Manche Experten lässt das sogar ein „Desaster“ für den Finanzplatz Deutschland erwarten. Doch nicht nur deswegen ist es fraglich, ob der DAX durch diese Umstellung seine Underperformance der letzten Jahre gegenüber anderen wichtigen Aktien-Indizes abschütteln kann.
Da die anderen Indizes Kurs-Indizes sind, habe ich für den Chart-Vergleich auch den DAX Kurs-Index herangezogen. In die Preisentwicklung sind also bei allen Indizes die Dividenden nicht eingerechnet:
Der DAX wird größer, aber wird er auch besser?
Der Hauptkritikpunkt am Sinn der Umstellung ist jedoch ein anderer: Auch mit 10 weiteren DAX-Mitgliedern wird sich nicht viel ändern. Die Schwergewichte wie SAP, Linde, Siemens und die Allianz, die aktuell eine Index-Gewichtung von zusammen 36 Prozent besitzen, werden auch künftig die Richtung im DAX vorgeben.
Auch die Automobil-Branche bleibt bestimmend. Daimler, BMW, Volkswagen und Continental haben zusammen derzeit einen Index-Anteil von 11 Prozent. Wenn man will, kann man auch noch Infineon als Chip-Anbieter für die Auto-Branche dazu rechnen (zusammen 15%).
Die hohe Gewichtung der Auto-Branche ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass es in Deutschland keine anderen großen Kandidaten für den Leit-Index gibt, denn im Land des Mittelstands mit seinen oftmals nicht börsennotierten Familien-Unternehmen können neue Börsenschwergewichte nicht aus dem Hut gezaubert werden.
Genau deshalb sollten sich die Deutsche Börse und die Finanz-Politiker Gedanken darüber machen, warum deutsche Highflyer wie die Impfstoff-Unternehmen BioNTech und Curevac in New York an die Börse gehen und nicht in Deutschland.
Und speziell die Deutsche Börse müsste auch erklären, warum die Digitalisierungs-Gewinner Delivery Hero, HelloFresh und Zalando bislang nicht als Tech-Unternehmen eingestuft wurden und daher auch nicht im Technologie-Index TecDAX in Erscheinung traten. Hat etwa die Deutsche Börse selbst kein Vertrauen in das eigene Index-Konzept oder gibt es einfach nur zu viele Gestaltungs- und Interpretations-Spielräume?
Welche Aktien könnten in den DAX aufsteigen?
Was ändert sich im DAX? Bei 40 Index-Teilnehmern sinkt das Gewicht der einzelnen Aktien im Vergleich zu 30 DAX-Mitgliedern etwas. Am neuen DAX werden die 10 neuen Mitglieder voraussichtlich aber nur 10 Prozent der Index-Gewichtung ausmachen. Dramatische Veränderungen sind daher nicht zu erwarten.
Aktuell wäre Airbus mit einem Index-Gewicht von etwa 4 Prozent die „schwerste“ neue Aktie, die anderen DAX-Kandidaten dürften unter einem Prozent Index-Gewicht landen. Je größer die Zahl im folgenden Ranking, desto unwahrscheinlicher ist die DAX-Aufnahme im September, aber das Ranking ist nur eine Momentaufnahme:
Die 10 Kandidaten für einen DAX-Aufstieg
Rang* |
Name |
Tätigkeit |
ISIN |
6 |
Airbus |
Flugzeugbau |
NL0000235190 |
23 |
Zalando |
Modehandel/Internet |
DE000ZAL1111 |
26 |
Siemens Energy |
Energie |
DE000ENER6Y0 |
30 |
Symrise |
Aromastoffe |
DE000SYM9999 |
31 |
HelloFresh |
Kochboxen-Versand |
DE000A161408 |
34 |
Brenntag |
Chemikalien-Händler |
DE000A1DAHH0 |
35 |
Qiagen |
Biotech-Zulieferer |
NL0012169213 |
36 |
Siemens Healthineers |
Medizin-Geräte |
DE000SHL1006 |
38 |
Sartorius |
Pharma-Zulieferer |
DE0007165631 |
40 |
LEG Immobilien |
Immobilien |
DE000LEG1110 |
* Stelle im Ranking der Deutschen Börse nach der Marktkapitalisierung
|
Eng könnte es bis September vor allem für Siemens Healthineers, Sartorius und LEG Immobilien werden. Gemessen am Börsen-Wert liegen sie aktuell auf den Plätzen 36, 38 und 40. Die DAX-Konzerne Beiersdorf und HeidelbergCement müssen dagegen aus heutiger Sicht um einen Verbleib im DAX zittern. Mit Börsen-Rankings von 39 und 37 könnte es für beide Konzerne am Ende noch knapp werden.
Doch abgerechnet wird erst im September 2021, bis dahin kann sich abhängig von der Kursentwicklung noch einiges tun bei den Aufstiegs- und Abstiegs-Kandidaten. Vor kurzem schien Covestro noch stark gefährdet, inzwischen liegt die Chemie-Aktie aber wieder auf Rang 33.
Was ist mit ETFs und Index-Produkten auf den DAX?
Die beschlossene Erweiterung des DAX auf 40 Aktien stellt den Index zwar auf eine neue Basis, unmittelbare Auswirkungen auf Produkte wie ETFs oder Zertifikate gibt es jedoch nicht. Der DAX wird kontinuierlich weiterberechnet. ETF-Anbieter werden ihre DAX-Portfolios im Vorfeld der Umstellung entsprechend anpassen. Größere Kursschwankungen sind dadurch nicht zu erwarten.
Mein Fazit
Der neue DAX mit 40 Mitgliedern ist sicherlich keine Verschlechterung gegenüber dem Status Quo, allerdings auch kein großer Wurf. Viel wird sich nicht ändern, das zeigen die Modellrechnungen der Analysten, die einen DAX-40 rückgerechnet und mit dem DAX-30 verglichen haben.
Ob der MDAX, aus dem die meisten Aufsteiger stammen, dadurch langfristig geschwächt wird, muss sich zeigen. Jedenfalls verlieren die Indizes der zweiten Reihe, nämlich MDAX und SDAX an Marktkapitalisierung und damit auch an Bedeutung. Die Outperformance, die sie gegenüber dem DAX in den letzten Jahren an den Tag legten, dürfte sich aber dennoch fortsetzen.
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