Was passieren muss,
damit der Silber-Preis steigt...
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Entwicklung des Silber-Preises enttäuschte im vergangenen Jahr viele Edelmetall-Freunde. Dabei sah es Anfang 2021 noch anders aus: Silber unternahm mehrere Versuche das mehrjährige Hoch bei gut 29 US-Dollar zu überwinden – allerdings erfolglos. Anschließend ging es nach unten und letzten Ende gab Silber im Jahresverlauf um 12 Prozent nach und entwickelte sich damit schwächer als der große Bruder Gold:
Dabei waren die Voraussetzungen für einen Preisanstieg gar nicht so schlecht: Die weltweite physische Nachfrage nach Silber kletterte 2021 auf den höchsten Stand seit 2015, der Bedarf der Industrie und die Nachfrage nach Barren und Münzen erreichten langjährige Höchststände.
Trotzdem gab das dem Preis im Jahresverlauf keinen Auftrieb. Das hat mit dem Verhalten der Finanz-Investoren zu tun: Nachdem die Zuflüsse in börsengehandelte Produkte, sprich Silber-ETFs 2020 mit 331 Mio. Unzen den höchsten Stand seit 2007 erreichten, gab es 2021 in etwa eine Halbierung der Zuflüsse.
Zudem ging die Nachfrage der Industrie nach Silber im Jahresverlauf zurück, denn die Industrie-Produktion entwickelte sich wegen anhaltender Lieferprobleme in vielen Bereichen und wegen neuer Corona-Wellen schwächer als gedacht. Immerhin entfallen über 50 Prozent der Silber-Nachfrage auf die Industrie.
Steigende Zinsen sind negativ für die Edelmetalle
Es war aber nicht nur die Aussicht auf eine schwächere Konjunktur, die kurzfristig orientierte Finanz-Investoren von weiteren Käufen zurückschrecken oder sogar bestehende Positionen auflösen ließ. Besonders der Gold-Preis litt zudem unter der Aussicht auf steigende Zinsen und Anleiherenditen sowie der Aufwertung des US-Dollars. Das belastete auch Silber.
Der Zusammenhang erklärt sich so: Bei einer Dollar-Aufwertung werden die am Weltmarkt in Dollar notierten Edelmetalle für die Käufer aus Nicht-Dollar-Ländern teurer, das drückt die Nachfrage. Auch durch den Anstieg der Zinsen werden Gold und Silber für Finanz-Investoren unattraktiver, denn als risikolose Anlagen stehen sie in Konkurrenz z.B. zu Staatsanleihen. Die hohe Inflationsrate – tendenziell ein Argument für die Anlage in Edelmetallen – wird dagegen von vielen offenbar als vorübergehend eingestuft.
Konsolidierung auf hohem Niveau
Immerhin lag der Silber-Preis aber im Durchschnitt des vergangenen Jahres so hoch wie seit 2012 nicht mehr. Bei den Edelmetallen ist es oft so, dass sich die Marktteilnehmer erst an einen höheren Preis gewöhnen müssen, und das kann dauern. Die Nachfrage reagiert preissensibel, zumal sich Edelmetalle gut lagern lassen und viele Akteure auf ihre Bestände zurückgreifen oder Alternativen suchen – das ist z.B. in der Schmuck-Industrie möglich.
Auch steigt das Angebot aus Recycling bei einem höheren Preis und führt den Markt damit in einen Ausgleich. Immerhin stammen etwa 19 Prozent des weltweiten Angebots an Silber aus Recycling, der Rest kommt aus der Produktion der Silber-Minen.
Steigende Nachfrage aus der Industrie
Silber ist ein Metall der Zukunft. Es wird wegen seiner speziellen Eigenschaften, besonders seiner elektrischen Leitfähigkeit, z.B. für Solar-Module benötigt. Wegen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien rechnen viele Experten zukünftig mit einem steigenden Bedarf aus der Solar-Industrie. Schon 2021 erreichte der Silber-Bedarf der Photovoltaik-Branche einen Rekordstand von etwa 110 Mio. Unzen.
2022 dürfte den Experten von Metals Focus zufolge die Silber-Nachfrage aus diesem Sektor nochmals um mehr als 10 Prozent zunehmen, und das obwohl der Silber-Einsatz je Solar-Panel verringert wird.
Aber auch die zunehmende Digitalisierung und Elektrifizierung sorgen für einen wachsenden Silber-Bedarf, denn Silber wird in elektronischen Kontakten, Mikro-Prozessoren, Speicher-Chips, Sensoren etc. eingesetzt. Wie stark die Nachfrage in den nächsten Jahren dadurch wächst, darüber gehen die Meinungen bzw. Prognosen auseinander.
Das hängt nicht nur von der Entwicklung der jeweiligen Sektoren ab, sondern auch vom technischen Fortschritt. Denn natürlich sind die Ingenieure bestrebt, den Einsatz teurer Materialien zu verringern. Für die Rohstoff-Experten der Commerzbank dürfte Silber dennoch "... unter den Edelmetallen der Hauptprofiteur des Umbaus der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit sein."
Die Aussichten für einen langfristigen Anstieg der Nachfrage sind daher gut. Die Minen-Produktion kann damit voraussichtlich nicht Schritt halten, bereits 2016 wurde der bisherige Höhepunkt der Förderung neuen Silbers erreicht, seitdem gibt es eine Stagnation. Ein höherer Preis dürfte zwar wieder zu mehr Produktion führen, aber das wird dauern. Und die verfügbaren Vorkommen sind begrenzt.
Doch was muss kurzfristig passieren,
damit der Silber-Preis steigt?
Zum einen würde die Nachfrage nach physischem Silber zunehmen, wenn die Weltkonjunktur ihre aktuelle Delle überwindet und die Lieferengpässe in der Industrie abnehmen.
Zum anderen würde das Interesse der Finanz-Investoren wieder zunehmen, wenn der Gegenwind durch die Spekulation über steigende Zinsen abnimmt. In der Vergangenheit waren nach den Angaben der Experten der Commerzbank die Edelmetalle häufig wieder gefragt, wenn die US-Notenbank nach dem Beginn eines Zinserhöhungszyklus beim eingeschlagenen Kurs blieb – die Zinserwartungen sich also nicht mehr stark veränderten.
Positiv auf die Beliebtheit von Gold und Silber bei Anlegern würde es sich zudem auswirken, wenn die Volatilität an den Aktien-Märkten zunimmt und die Inflationsrate hoch bleibt.
Mein Fazit
Der wachsende Bedarf einiger Branchen an Silber wird in Zukunft die Gesamtnachfrage steigen lassen. Kurzfristig wird die Preisentwicklung aber vor allem durch die Zu- und Abflüsse in die ETFs bestimmt.
Gute Aussichten zur Nachfrageentwicklung sind jedoch für die Motivation der Finanz-Investoren wichtig. Eine weitere Erholung der Weltkonjunktur und eine Abnahme der Lieferengpässe in der Industrie würden daher auch Investoren anlocken und den Silber-Preis zusätzlich treiben.
Die Voraussetzungen sind gut, dass sich das Umfeld für die Edelmetalle in den nächsten Monaten bessert, vor allem wenn ab März mehr Klarheit über den Kurs der US-Notenbank besteht. Und sollte Gold zulegen, dann dürfte Silber wie auch im Jahr 2020 stärker steigen.
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