Wie groß ist die Gefahr einer Korrektur und was kannst Du tun?
Liebe Leserin, Lieber Leser,
die Pandemie und die Maßnahmen der Regierungen dagegen, lähmen in vielen Ländern die Wirtschaft. Auch in Deutschland wird das öffentliche Leben wieder stark heruntergefahren, mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft. In den USA bremsen die steigenden Infektionszahlen ebenfalls die Erholung der Konjunktur.
Als wäre das nicht genug, drohen für Großbritannien und die Eurozone bei einem harten Brexit ab Anfang Januar zusätzliche Belastungen. Trotzdem behaupten sich die Börsen bislang auf einem hohen Niveau. Der US-Index S&P 500 notiert nur knapp unter seinem Allzeithoch und der DAX ist nicht weit von dem Hoch entfernt, das er im Februar, vor der Corona-Krise, erreicht hatte.
Die Wirtschaft leidet massiv unter den Anti-Corona-Maßnahmen, die Aktien-Märkte scheinen sich von der Realität abgekoppelt zu haben. Aber das stimmt mindestens aus 3 Gründen nicht:
1. Die Börsen spiegeln nur einen Teil der Wirtschaft wider!
Viele Bereiche, die besonders stark von der Pandemie und auch vom aktuellen Lockdown in Deutschland betroffen sind, besitzen große Bedeutung z.B. für die Beschäftigung, sind aber am Aktien-Markt gar nicht vertreten oder unterrepräsentiert. Das betrifft das Gastgewerbe, die Kultur und Dienstleistungen insgesamt.
Das produzierende Gewerbe und generell größere Betriebe sind im Vergleich zu ihrer Bedeutung für die Gesamt-Wirtschaft dagegen an der Börse überrepräsentiert. Aktuell gibt es zudem einen wichtigen Unterschied zu den Lockdowns im Frühjahr:
Die Industrie kann weiterarbeiten. Die Grenzen sind nicht geschlossen, die Lieferketten nicht unterbrochen, jedenfalls noch nicht, und mit Ost-Asien gibt es eine wichtige Weltregion, die sich bereits seit längerem von der Corona-Krise erholt und z.B. deutsche Industrie-Produkte nachfragt.
2. Auch an den Aktien-Märkten gibt es Gewinner und Verlierer!
Die Unternehmen, die von der Corona-Krise und deren Schub für die Digitalisierung profitieren, wie die großen Internet- und Technologie-Konzerne, sind in den Aktien-Indizes hoch gewichtet. 201 Aktien aus dem US-Index S&P 500, also 40%, notieren aktuell unter ihrem Stand von Jahresbeginn, 131 verzeichnen sogar ein Minus von mehr als 10%, obwohl der Index selbst seit Anfang 2020 fast 15% im Plus liegt (jeweils inklusive Dividenden).
Das liegt vor allem daran, dass Internet- und Technologie-Aktien im Index hoch gewichtet sind. Allein auf die „Big Five“ Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Facebook entfallen 21,8% der Marktkapitalisierung des S&P 500 – und die 5 Aktien legten im Schnitt um 48% seit Jahresbeginn zu.
In den Medien und auch bei den Anlegern stehen naturgemäß die Gewinner an der Börse stärker im Fokus als die vielen Verlierer. Auch im DAX ist die Welt zweigeteilt: Der Index steht in etwa auf dem Niveau von Jahresbeginn, aber 14 der 30 Aktien liegen im Minus. Bayer bildet mit -32% das Schlusslicht. Auf der anderen Seite verzeichnen Delivery Hero und Infineon ein Plus von 61% bzw. 43%.
3. Die Börsen spiegeln selten die aktuelle Wirtschaftslage wider, sondern die Zukunftserwartungen!
Viele Anleger blicken hinter die steigenden Infektionszahlen in Europa und den USA und erwarten, dass sich die Lage 2021 u.a. durch Impfstoffe komplett ändert. Zudem werden die extrem expansive Geldpolitik und auch die stimulierende Fiskalpolitik nicht so schnell zurückgefahren. Das reduziert das Risiko eines erneuten heftigen Kurseinbruchs an den Börsen.
In dieser Hinsicht gab es in den letzten Tagen weitere positive Nachrichten: Ungarn und Polen haben die Blockade des EU-Haushalts aufgegeben, so dass auch der „Recovery Fund“ auf den Weg gebracht werden kann. Das Festzurren der EU-Klimaziele könnte in den nächsten Jahren ebenfalls massive Investitionen freisetzen. Da ist aber noch viel Detailarbeit zu leisten.
Auch in den USA bewegt sich etwas: Demokraten und Republikaner scheinen ihre gegenseitige Blockade zu beenden und könnten sich in Kürze darauf einigen, wenigstens Teile eines neuen Hilfsprogramms zu verabschieden.
Langfristig gute Rahmenbedingungen für die Börsen
Aus diesen Gründen bauen viele Anleger trotz der aktuellen Lockdowns auf eine kräftige Konjunkturerholung im kommenden Jahr. Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und Ausgabenprogramme dürften für einen dynamischen Befreiungsschlag sorgen, so die begründete Hoffnung.
Allerdings ist es nicht so, dass die Börsen das nicht zum Teil bereits vorweg genommen hätten. Korrekturen sind daher jederzeit möglich, z.B. wenn sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuell hohen Infektionszahlen als gravierender erweisen als derzeit angenommen. Charttechnisch deutet sich in den Aktien-Indizes bisher keine Korrektur an, aber das kann sich schnell ändern.
Mein Fazit
Du solltest – was eigentlich bei der Geldanlage immer ein guter Ratschlag ist – Ruhe bewahren. Den Kursen hinterherzulaufen aus Angst etwas zu verpassen, ist ebenso wenig eine gute Idee, wie aus Angst vor einer möglichen starken Korrektur nichts zu tun.
Wichtig ist es, dass Du Dir über die eigenen Anlageziele im Klaren bist. Aus Leserzuschriften weiß ich, dass genau das bei vielen nicht der Fall ist. Das heißt: Bei Positionen, mit denen Du von einem Börsentrend profitieren willst, solltest Du genaue Ziele und Stopp-Marken festlegen. Eventuell bietet es sich bei diesen Positionen mit kurz- und mittelfristigem Zeithorizont an, jetzt die Stopp-Marke nachzuziehen. Z.B., wenn die jeweilige Aktie schon sehr viel stärker gestiegen ist als ursprünglich erwartet.
Davon trennen solltest Du aber die Strategie in Deinem langfristigen Depot. Hier sind Korrekturen kein Grund nervös zu werden. Im Gegenteil: Du solltest Dich darüber freuen, denn das gibt Dir die Gelegenheit Aktien günstiger nachzukaufen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Du das jeweilige Unternehmen für langfristig aussichtsreich hältst. Eine fundamentale Analyse sollte die Basis einer solchen Einschätzung sein.
Ich gebe zu, die Unterscheidung zwischen langfristiger Anlage und mittelfristiger "Spekulation" ist nicht immer leicht zu treffen und erfordert viel Disziplin. Am besten ist es, sich schon vor dem Kauf der jeweiligen Aktie die eigenen Ziele klar zu machen, am besten aufzuschreiben und dann auch dabei zu bleiben.
Bei einer Aktie, an der Du langfristig festhalten möchtest, solltest Du auch stärkere Korrekturen mental aushalten können. Und von einer mittelfristigen Spekulation solltest Du Dich auch trennen können, wenn die eigenen Ziele erreicht oder gar übertroffen wurden.
Ein klarer Plan ist die beste Möglichkeit mit unerwarteten Entwicklungen an den Börsen klar zu kommen und mental nicht überfordert zu werden. Denn das passiert, wenn Du meinst bei jeder Aktie in deinem Depot die Entscheidungen "kaufen, halten, verkaufen" ständig neu treffen zu müssen.
Mein Podcast-Tipp:
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