Wiederholt sich die Geschichte? Der Lastenausgleich von 1952 war drastisch!
Liebe Leserin, lieber Leser,
das Schlagwort "Lastenausgleich" ist seit einiger Zeit immer öfter zu lesen und zu hören. Letztlich verbirgt sich dahinter die Furcht vor einer einmaligen Umverteilung im großen Stil, einer Enteignung der Vermögenden. Dabei vermischt sich jedoch vieles. Wie so oft geht es hier manchen auch darum, das Misstrauen vieler gegenüber dem Staat für eigene Zwecke zu nutzen. Was das auch immer für Zwecke sein mögen.
Klar ist: Der Staat bzw. wir als Gesellschaft hatten in den letzten Jahren enorme Aufgaben zu bewältigen, zum einen durch die Corona-Krise, zum anderen durch den Krieg in der Ukraine. Die Staatsschulden Deutschlands werden dadurch von etwa 60 Prozent des BIPs auf über 70 Prozent steigen.
Da ist die Frage verständlich, wie diese Schulden wieder abgetragen werden sollen. Manche Politiker sprechen hier von einem Lastenausgleich, um die Maßnahmen zur Unterstützung der besonders stark von den Krisen betroffenen Haushalte und Unternehmen zu finanzieren. Gemeint sind damit in den meisten Fällen die Einführung einer Vermögenssteuer oder andere Formen der steuerlichen Umverteilung.
Das Lastenausgleichsgesetz nach dem 2. Weltkrieg
Viele, die den Begriff Lastenausgleich hören, denken aber an das Lastenausgleichgesetz von 1952 (LAG). Und das hatte in der Tat drastische Folgen: Für 1948 wurde das Vermögen festgestellt und davon waren 50 Prozent abzugeben. Da liegt der Begriff Enteignung nahe, aber die historischen Umstände waren sicher einmalig.
Nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges und der Währungsreform hatten viele Deutsche buchstäblich nichts mehr. Da lag eine Umverteilung nahe, und zwar von denen, die im Krieg Glück gehabt hatten, zu denen, die alles bzw. viel verloren hatten. Es ging dabei auch darum, den vielen Millionen Vertriebenen den Start in der neuen Heimat überhaupt erst zu ermöglichen. Das hat nach Einschätzung von Historikern auch den Wunsch nach Rückkehr in die verlorene Heimat verringert und so zum politischen Frieden beigetragen.
Fast 40 Prozent der gesamten Auszahlungen entfielen auf Kriegsschadensrenten, die an Menschen gezahlt wurden, die ihre wirtschaftliche Basis verloren hatten. Betroffen von der Abgabe waren vor allem die Immobilienbesitzer – ganz einfach deswegen, weil es kaum mehr andere Vermögen gab. Die Unternehmen waren weitgehend zerstört und Gold oder andere Sachvermögen hatten die wenigsten, jedenfalls nicht bei deutschen Banken.
Die genaue Regelung war so: Jeder musste die Hälfte seines Vermögens abgeben. Dabei gab es einen Freibetrag von 5.000 DM, was 1952 nicht so wenig war, wies es sich heute anhört. Nach den Zahlen der Deutschen Sozialversicherung betrug das jährliche Durchschnittseinkommen 1952 3.852 DM. Auf heutige Einkommenszahlen umgerechnet würde dies einem Freibetrag von mehr als 40.000 Euro entsprechen.
Die Vermögensabgabe wurde über 30 Jahre gestreckt. Dadurch belief sich die Belastung auf schon nicht mehr so schrecklich anmutende 1,67 Prozent des Vermögens pro Jahr. Tatsächlich erhielt die Vermögensabgabe dadurch eher den Charakter einer Vermögenssteuer. Dem standen in vielen Fällen Mieteinnahmen gegenüber. Zudem legten die Vermögen wegen der Inflation in den folgenden Jahrzehnten stark an Wert zu, während die Höhe der Abgabe gleich blieb.
In der historisch einmaligen Situation nach dem 2. Weltkrieg halte ich das LAG auch im Nachhinein als sinnvoll. Der deutsche Staat konnte kurz nach dem Krieg kaum neue Kredite aufnehmen, was sich in den folgenden Jahren dann änderte. Es fehlten also die Möglichkeiten, das für den Lastenausgleich nötige Kapital auf andere Weise zu beschaffen.
Hauszinssteuer nach der Hyperinflation von 1923
Weniger bekannt ist, dass 1952 auch eine Hypotheken- und eine Kreditgewinnabgabe eingeführt wurden. Damit sollten die Gewinne Einzelner aus der Währungsreform von 1948 abgeschöpft werden, denn diese begünstigte vor allem die Schuldner. Die zu jenem Zeitpunkt bestehenden Schulden waren durch die Währungsreform fast verschwunden.
Das ähnelt der so genannten Hauszinssteuer, die nach der Hyperinflation des Jahres 1923 eingeführt wurde. Auch hier war ein Ausgleichsgedanke am Werk: Hauseigentümer waren die Hauptprofiteure der Hyperinflation. Sie waren quasi über Nacht ihre Hypotheken losgeworden und konnten sich zusätzlich über Wertsteigerungen ihrer Häuser freuen.
Ursprüngliches Ziel war es, mit der Hauszinssteuer den sozialen Wohnungsbau zu finanzieren. Das geschah auch, jedenfalls zum Teil. Doch wie das bei Steuern so ist, irgendwann flossen die Einnahmen in den normalen Haushalt zur Begleichung der laufenden Ausgaben.
Warum die Situation heute anders ist
Prinzipiell wären auch heute wieder Sondersteuern auf Immobilien oder andere Arten der Umverteilung denkbar. Doch die Umstände nach den Weltkriegen waren extrem. Der deutsche Staat hatte kaum andere Möglichkeiten der Finanzierung, da die Wirtschaft noch am Boden lag und die Möglichkeit der Aufnahme neuer Kredite stark eingeschränkt war.
Anders als damals gibt es heute viele Alternativen der Finanzierung staatlicher Aufgaben, es besteht kein ökonomischer Zwang für einen Lastenausgleich im Sinne des LAG von 1952. Wohl aber gibt es einen politischen Willen zur Umverteilung, um die durch die Krisen der letzten Jahre verursachten ungleich verteilten Belastungen zu korrigieren bzw. die entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen des Staates zu finanzieren.
Doch dafür gibt es viele Möglichkeiten, u.a. eine Erhöhung der Erbschaftssteuer, eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder eine noch stärkere Belastung höherer Einkommen bei der Einkommenssteuer.
Wie eingangs erwähnt vermischen sich in dieser Diskussion viele Begriffe, z.B. Lastenausgleich und Umverteilung. Für letztere gibt es durchaus gute Argumente, denn die Einkommen aus Vermögen sind in den letzten Jahrzehnten viel stärker gestiegen als die Einkommen aus Arbeit. Dadurch ist die Ungleichheit gewachsen.
Ob es letztlich zu einer stärkeren Besteuerung von Vermögen oder höherer Einkommen kommt, hängt davon ab, welche politische Partei sich durchsetzt. Es ist eine Frage des politischen Willens und keine des ökonomischen Zwangs. Bisher ist nicht erkennbar, dass dieser Wille umgesetzt wird, die Widerstände sind stark, eine politische Mehrheit dafür ist derzeit auf Bundesebene nicht erkennbar.
Eher scheinen die meisten Politiker darauf zu setzen, dass es wie nach der Eurokrise gelingt, die Staatsschulden durch Wachstum abzubauen. So sind die deutschen Staatschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von ihrem Hoch bei 82 Prozent im Jahr 2010 bis 2019 wieder auf unter 60 Prozent gesunken, vor allem weil die Wirtschaft gewachsen ist.
Die Wachstumskräfte zu stärken ist ein besseres Mittel, um die Schuldenlast zu verringern als Vermögensabgaben einzuführen. Das werden sicher die meisten Ökonomen unterschreiben. Die zunehmend ungleiche Vermögensverteilung ist zweifellos ein großes Problem, doch deren Bekämpfung sollte dauerhaft erfolgen und nicht mit der Finanzierung von Krisenkosten vermischt werden.
Mein Fazit
Lass Dir mit dem Gerede von einem Lastenausgleich keine Panik machen. Mögliche neue Steuern, die derzeit aber nicht in Sicht sind, könnten zwar ökonomisch schädlich sein, wären aber keine Katastrophe. Viel wichtiger ist, ob es gelingt den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Das bereitet mir eher Sorgen.
Ganz real ist auch die Gefahr, dass die Realzinsen auf Dauer negativ bleiben. Die Zinsen steigen zwar, aber sie liegen immer noch deutlich unter der Inflationsrate. Das dürfte die nächsten Jahre so bleiben, denn viele Staaten der Europäischen Union können ihre hohen Schulden nur so bedienen. Und die EZB muss die gesamte Eurozone im Blick haben. Die Kosten der Krisen für den Staat bzw. die damit verbundene Schuldenlast durch Inflation und niedrige Zinsen zu verringern, ist auch in Deutschland politisch der viel einfachere Weg als über die Einführung neuer Steuern oder gar eine einmalige Abgabe zur Umverteilung.
Für Anleger bleibt die Investition in Sachwerte meiner Ansicht nach der beste Schutz vor einem realen Vermögensverlust, der durch Inflation und negative Realzinsen droht. Die derzeit unbegründete Angst vor einem Lastenausgleich sollte davon nicht abhalten.
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Herzliche Grüße und bis kommende Woche
Dein
Lars Erichsen
Chefredakteur Rendite-Report
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