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Rendite-Report vom 14. Juni 2023


HIER MEIN THEMA:

>> Aktienmarkt – Beenden die Notenbanken die gute Stimmung?
 
 
 

Was für weiter steigende Kurse spricht – und was dagegen...

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

die Stimmung an den Märkten hat sich in den letzten Monaten komplett gedreht, so scheint es jedenfalls. Im Herbst 2022 war nicht die Frage, ob eine Rezession in den USA kommt, sondern nur noch wann. Im Frühjahr wurden die Pessimisten dann durch die Bankenpleite in den USA und die Turbulenzen bei der Credit Suisse bestätigt. Vielen schien klar: Die Wirtschaft und auch die Märkte kommen mit den höheren Zinsen nicht zurecht.

 

Inzwischen ist eine Bankenkrise kein Thema mehr und auch das Problem um die Anhebung des Schuldenlimits in den USA wurde gelöst. Die US-Konjunktur zeigt sich zwar alles andere als stark, aber eine deutliche Rezession ist bislang nicht in Sicht. Die deutsche Wirtschaft dagegen steckt nach zwei Quartalen mit einem Rückgang des BIPs in einer Rezession, doch das hat den DAX nicht davon abgehalten, sich in der Nähe seines Allzeithochs zu behaupten.

 

Viele argumentieren nun, dass die Börsen vorausblicken und der Kurseinbruch im Jahr 2022 die Rezession im Winterhalbjahr vorweggenommen hat. Die starke Kursentwicklung der letzten Monate, insbesondere an der Wall Street laufe nun einer wieder an Dynamik gewinnenden Wirtschaft voraus.

 

Zur Unterstützung dieser Argumentation wird auf die Gewinnentwicklung der Unternehmen verwiesen: Bereits im letzten Jahr wurden die Gewinnprognosen für die Unternehmen aus dem S&P 500 um fast 12 Prozent gesenkt. Im letzten Monat wurden die Gewinnprognosen aber wieder um 1 Prozent angehoben, man kann also von einer Stabilisierung sprechen.

 

Hoffnung auf ein Ende der Zinserhöhungen

 

Einer der Hauptgründe für den wieder gestiegenen Optimismus ist die Geldpolitik: Die Leitzinsen in den USA könnten beim aktuellen Stand von 5,00/5,25 Prozent ihren Höhepunkt erreicht haben, für die Sitzung der US-Notenbank heute Abend wird jedenfalls mit keiner weiteren Erhöhung gerechnet. Die meisten Experten gehen davon aus, dass es sich nicht nur um eine Zinspause handelt, sondern der nächste Schritt – wann immer der kommen mag – eine Senkung sein wird.

 

In Europa wird dagegen noch mit weiteren Zinserhöhungen gerechnet, bereits bei der Sitzung am Donnerstag dürfte die EZB aller Voraussicht nach den Leitzins um 25 Basispunkte anheben. Die Mehrheit der Akteure an den Märkten geht davon aus, dass noch ein weiterer Schritt folgt und dann ebenfalls der Höhepunkt im aktuellen Zinszyklus erreicht ist.

 

Sollten die Notenbanker nicht dieser Erwartung entsprechen und in ihren Erläuterungen zu den Entscheidungen in dieser Woche einen restriktiven Ton anschlagen, sprich weitere Anhebungen nicht ausschließen, dann könnte das die Stimmung an den Märkten eintrüben.

 

Doch das wäre erst einmal nur eine Momentaufnahme, wichtiger sind die mittelfristigen Aussichten. Kurz gefragt: Sind die Märkte zu optimistisch? Die US-Notenbank und die EZB werden in nächster Zeit sicher nicht den Sieg über die Inflation verkünden, soviel ist sicher. Das zeigte sich zuletzt auch in Kanada, Australien, Großbritannien und Norwegen, wo die Notenbanken die Leitzinsen teils überraschend weiter anhoben, da die Kerninflationsrate – also die Preise ohne volatile Komponenten wie Energie und Nahrungsmittel – immer noch hoch ist.

 

Auch in den USA liegt die Kerninflationsrate trotz eines Rückgangs immer noch bei 5,3 Prozent und in der Eurozone beträgt sie 5,6 Prozent. Ein Grund dafür ist jeweils der starke Arbeitsmarkt, der nicht nur den Konsum stabilisiert, sondern in Reaktion auf die steigenden Preise ein hohes Lohnwachstum erlaubt.

 

Der von der EZB bevorzugte Indikator für die Lohnentwicklung ist im 1. Quartal auf 5,2 Prozent gestiegen. Auch in den USA bleibt der Arbeitsmarkt trotz der noch vor wenigen Monaten kursierenden Meldungen über Entlassungen im Techsektor sehr robust, selbst wenn sich hier anders als in Europa das Lohnwachstum zuletzt auf +4,3 Prozent abgekühlt hat.

 

Was spricht für weiter steigende Kurse?

 

Einige der Argumente habe ich ja bereits genannt: Der Bankensektor hat sich stabilisiert und eine Krise bei den US-Staatsfinanzen ist ausgeblieben. Die Konjunktur ist zwar schwach, wie auch der Rückgang des Einkaufsmanagerindexes für das verarbeitende Gewerbe in den USA in den letzten Monaten zeigt, aber eine deutliche Rezession ist dank eines soliden Dienstleistungssektors nicht in Sicht.


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Die Gewinnprognosen für die Unternehmen haben sich stabilisiert und die Optimisten rechnen damit, dass die Gewinne 2024 wieder steigen. Technisch gesehen könnte der S&P 500 Index in einen Bullenmarkt eingetreten sein, eine gängige Definition dafür lautet ein Anstieg um mehr als 20 Prozent nach dem letzten Tief. Aktuell liegt das Plus bei gut 21 Prozent. Dem bekannten Ökonomen und Aktienmarktexperten Ed Yardeni zufolge wird es immer schwerer, gegen einen Bullenmarkt zu argumentieren.

 

Diese Ansicht ist durchaus weit verbreitet: Weniger Euphorie als "Resignation" gegenüber dem Kursanstieg, der für sich zu sprechen scheint. Diese Skepsis ist in der Tat ein Argument dafür, dass die Kurse weiter steigen können, denn die Cashquote vieler Profianleger ist weiterhin hoch, es gibt genügend Kapital, das noch in Aktien investiert werden könnte.

 

Was spricht für fallende Kurse?

 

Auch hier habe ich schon Argumente genannt: Die Zinserwartungen könnten zu optimistisch sein. Die Notenbanken Australiens und Kanadas haben nach einer Pause den Leitzins wieder angehoben, das könnte auch bei der US-Notenbank so kommen. Denn die Inflation ist hartnäckig. Die ganz hohen Raten sind zwar vorbei, aber die Gefahr ist groß, dass sich die Inflation bei 4 bis 5 Prozent festsetzt. Das möchten die Notenbanker unbedingt vermeiden.

 

Und sollte die Konjunktur tatsächlich anziehen und die Unternehmen wieder höhere Gewinne erzielen, dann würde das auch den Inflationsdruck erneut verstärken. Und das in einer Phase, in der die Kerninflation immer noch hoch ist. Eine noch nicht unterdrückte Lohn-Preis-Spirale würde auf wachsenden Preisdruck durch eine steigende Gesamtnachfrage und auf wieder anziehende Rohstoffpreise treffen. Dass die Notenbanken unter diesen Umständen die Zinsen senken, ist unwahrscheinlich.

 

In einem Satz: Eine sich deutlich erholende Konjunktur und steigende Unternehmensgewinne auf der einen Seite und eine rückläufige Inflationsrate und sinkende Zinsen auf der anderen Seite passen nicht zusammen.

 

Diese These wird durch die Entwicklung der Renditen am Anleihemarkt unterstützt, denn obwohl über Zinserhöhungen durch die US-Notenbank im Jahr 2024 spekuliert wird, sind die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen in den letzten Wochen wieder gestiegen – die für kürzere Laufzeiten im Übrigen auch.


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Wenn dafür nicht die Erwartung von Zinserhöhungen verantwortlich ist, dann wird offenbar eine dauerhaft hohe Inflationsrate eingepreist.

 

Mike Wilson, Analyst bei Morgan Stanley, verweist darauf, dass eine Verschärfung der Geldpolitik immer mit zeitlicher Verzögerung wirkt. Die zehn Zinserhöhungen der FED seit März 2022 werden ihre bremsende Wirkung auf die Konjunktur und ihre negativen Effekte für die Unternehmensbilanzen erst noch entfalten. Das zeigt sich u.a. daran, dass die Banken restriktiver bei der Kreditvergabe geworden sind. Das macht es für Unternehmen schwerer zu investieren und bremst auch den Konsum.

 

Überdurchschnittliche Bewertung

 

Die Optimisten ignorieren das nicht, aber sie verweisen darauf, dass die Wirtschaft ohne größere Rezession damit umgehen und sich der Aktienmarkt auf hohem Niveau behaupten kann. Die Bewertung des S&P 500 liege mit einem KGV von 18,6 zwar deutlich über dem 20-Jahres-Durchschnitt von 15,7, aber der Index könne daraus "herauswachsen". Sprich die Unternehmensgewinne steigen 2024 wieder und die Bewertung sinke dadurch, ohne dass der Index einbrechen muss.

 

Das sieht Mike Wilson nicht so: Die Unternehmen werden es in einem schwachen Konjunkturumfeld schwerer haben als bisher die Preise anzuheben, um auch nur den Inflations- und Kostendruck auszugleichen. Er rechnet mit einem Rückgang der Unternehmensgewinne um 16 Prozent in diesem Jahr. Eine Anpassung der überdurchschnittlich hohen Bewertung am Aktienmarkt dürfte unter diesen Umständen durch einen Kursrückgang erfolgen.

 

Die unterschiedlichen Ansichten betreffen übrigens auch die Tatsache, dass der größte Teil der Kursgewinne im S&P 500 von nur wenigen Aktien getragen wurde. Die sieben größten Aktien im Index, darunter Apple, Nvidia und Meta Platforms, sind 2023 im Durchschnitt um 77 Prozent gestiegen, während die Aktien im S&P 500 insgesamt im Durchschnitt um 1,2 Prozent gefallen sind.

 

Die Optimisten argumentieren, dass die übrigen Aktien nachziehen können und der Index dadurch weiter steigen kann. Die Pessimisten verweisen darauf, dass ein Ende des Booms bei den großen Techaktien den ganzen Bullenmarkt beenden würde.

 


Mein Fazit

 

Nicht nur in den USA auch in vielen anderen Ländern, ist die Konjunktur nach den Zinserhöhungen nicht so stark eingebrochen wie befürchtet. Das heißt aber im Gegenzug, die Phase schwachen Wachstums wird länger anhalten als angenommen. Das gilt z.B. auch für China, dessen Konjunktur sich nach einem starken Jahresstart wieder abgekühlt hat.

 

Die beste aller Welten für den Aktienmarkt, nämlich moderates Wachstum bei niedrigen Zinsen und niedriger Inflation, wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Entweder werden schwache Konjunkturdaten oder eine dauerhaft hohe Inflation und hohe Zinsen auf die Unternehmensgewinne und damit auf die Aktienkurse drücken. Das ist aktuell keine Basis für einen breiten Bullenmarkt.

 

Das heißt aber nicht, dass die auch durch eine gewisse KI-Euphorie getragene positive Stimmung am Aktienmarkt nicht noch anhalten kann. Zudem eröffnet die Tatsache, dass der Aufschwung am Aktienmarkt von wenigen Branchen getragen wird, Chancen bei vielen Titeln, z.B. aus dem Rohstoffsektor.

 

Das macht die aktuelle Börsenlage so herausfordernd wie lange nicht: Auf der einen Seite gilt es vorsichtig zu bleiben und antizyklische Chancen zu nutzen, auf der anderen Seite sollte man sich auch nicht gegen den Markttrend stellen.



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Herzliche Grüße und bis kommende Woche

Dein
Lars Erichsen
Chefredakteur Rendite-Report
www.rendite-report.de

 
 

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Geschäftsführer: Stefan Böhm, Dr. Detlef Rettinger – UST-ID-Nr. DE 175922139 ·
Sitz: Würzburg – HRB 5416 · Gerichtsstand Würzburg


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