Pro und Kontra: 5 Argumente für und gegen Investments in China-Aktien...
Liebe Leserin, lieber Leser,
so schnell kann es gehen: 2020 konnte China rasch durch rigorose Maßnahmen die Pandemie eindämmen. Peking hat sich dafür selbst gefeiert und die starke und schnelle Erholung der Wirtschaft nach dem Einbruch schien der Regierung Recht zu geben. Denn gleichzeitig waren die als Systemgegner betrachteten "westlichen Länder" in einen zähen Kampf mit dem Virus verstrickt.
Dazu könnte man jetzt noch viel sagen, ich weiß. Hier ist aber für mich die Entwicklung der Wirtschaft und der Märkte entscheidend und da ist das Bild eindeutig: Als einziges größeres Land konnte China 2020 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,3% aufweisen, alle anderen Ländern stürzten mehr oder weniger stark in eine Rezession. Die Eurozone verzeichnete ein Minus von 6,3%, die USA -3,4% und die Weltwirtschaft insgesamt -3,2%.
Von der Outperformance zur Underperformance
Der Aktien-Markt spiegelte das wider: Der MSCI China Index legte 2020 um fast 30% zu, der Industrieländer-Index MSCI World "nur" um etwa 15%. Doch 2021 ist von dieser Outperformance nichts mehr übrig, wie dieser 2-Jahres-Chart zeigt:
Vermutlich ist das nichts Neues für Dich, ich bin ja auch in verschiedenen Videos und Podcasts in letzter Zeit auf China eingegangen. Besonders spektakulär ist der "Machtkampf" mit großen Internet-Konzernen wie Alibaba und Tencent. Das hatte große Auswirkungen auf den Aktien-Markt, denn allein diese beiden Unternehmen haben im MSCI China Index einen Anteil von 24%, der starke Kursrückgang beider Aktien hat den Gesamt-Markt mit nach unten gezogen.
Doch das ist es nicht allein. Es gibt einen grundlegenden Politikwechsel in Peking, der sich auch auf die langfristigen Wachstums-Aussichten des Landes auswirkt. Das geht meiner Ansicht nach manchmal in der Diskussion etwas unter, ist aber enorm wichtig.
Dabei ist das Wirtschaftssystem in China schon seit Jahren voller Widersprüche. Einerseits hält die Kommunistische Partei das Ideal des Sozialismus hoch, andererseits herrschte in vielen Bereichen der Wirtschaft kaum regulierter Turbo-Kapitalismus. Damit will Peking jetzt offenbar Schluss machen: Nicht nur die Macht der Internet-Konzerne wird begrenzt, auch viele andere Branchen werden stärker reguliert.
Immobilien-Sektor: Vom Wachstumstreiber zum Risikofaktor
Auch im wichtigen Immobilien-Sektor werden Exzesse nicht mehr toleriert, wie das Dir sicher bekannte Beispiel Evergrande zeigt. Die drohende Pleite des großen Immobilien-Konzerns sorgt nicht nur an den Märkten für erheblichen Wirbel. Sollte es dazu kommen, dann könnte das in China eine Finanzkrise auslösen.
Offenbar rechnen aber die wenigsten damit, dass das geschieht. Vorher würde die Regierung eingreifen, die Mittel dazu hätte sie. Aber es soll ein Exempel statuiert werden, dass spekulative Exzesse nicht mehr geduldet werden.
Das ist an sich durchaus sinnvoll und würde das chinesische Finanzsystem langfristig stabiler machen. Allerdings hat das kurzfristig negative Folgen, nicht nur für die mit Evergrande verbundenen Firmen und Immobilien-Käufer, sondern für die Wirtschaft insgesamt. Das Wachstum wird sich abkühlen, wenn die Luft aus der Immobilien-Blase abgelassen wird.
Das dürfte dazu beitragen, dass sich die ohnehin wegen neuer Covid-Restriktionen verschlechterte Konsumenten-Stimmung weiter eintrübt. Viele Volkswirte haben ihre Prognosen für das BIP-Wachstum gesenkt, die DekaBank z.B. für 2021 von 8,4 auf 7,8% und für 2022 von 5,2 auf 4,8%. Nicht unerheblich: Auch Stromausfälle bremsen aktuell das Wachstum.
„Some short term pain for long term gain“ scheint jetzt das Motto der Wirtschaftspolitik Pekings zu sein. Aber auch langfristig wird das Wachstum der chinesischen Wirtschaft nicht mehr an frühere Werte von 7 bis 9% anknüpfen können. Mehr als 5% werden auch nach 2022 kaum noch zu erreichen sein.
Es gibt mindestens 5 Gründe, die auch langfristig für geringeres Wachstum in China sprechen und Anlegern das Leben schwerer machen:
1. Der heiß gelaufene Immobilien-Markt kühlt sich ab, Peking wird das nicht verhindern. Der Bau-Sektor war für die Gesamtwirtschaft in den letzten Jahren enorm wichtig, entsprechend wird das in den kommenden Jahren auf das Wachstum drücken.
2. Wachstum hat für Peking nicht mehr oberste Priorität, wichtiger sind andere Ziele wie Nachhaltigkeit in Bezug auf Klimaschutz und Verschuldung sowie der Beschränkung wirtschaftlicher Macht. Der Wohlstand soll gleichmäßiger verteilt werden, nicht zuletzt weil sonst die politische Stabilität gefährdet ist.
3. Die Arbeitsbevölkerung schrumpft, und zwar schon seit 2017. Dadurch hat auch der Zuzug in die Städte nachgelassen, der über mehrere Jahrzehnte ein wichtiger Treiber für Wachstum und Produktivitätsfortschritt war.
4. Mit dem neuen Kurs verabschiedet sich Peking zwar nicht von der Marktwirtschaft, aber die noch vor einigen Jahren als Ziel ausgegebene Integration in die globalen Kapitalmärkte scheint nicht mehr gewollt. Vermutlich auch weil der Handelskrieg mit den USA die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ausland vor Augen geführt hat. Peking sichert so den Primat der Politik vor dem Markt, aber eine geringere Integration in den Weltmarkt ist negativ für die Wachstums-Aussichten.
5. Für ausländische Unternehmen dürfte es schwieriger werden in China Geschäfte zu machen. Auch für ausländische Anleger steigt die Unsicherheit. Peking wird im Zweifel der Kontrolle der Märkte und der Stabilität den Vorzug geben und dabei keine Rücksicht auf Anleger-Interessen nehmen. Das dürfte auch gelten, wenn es zu neuen politischen Konflikten mit "dem Westen" kommen sollte.
Doch es gibt auch 5 Argumente dafür, als Anleger weiter in China engagiert zu bleiben:
1. Die Wirtschaft wird auch unter den neuen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren Produktivitätsfortschritte erzielen und schneller wachsen als die etablierten Industrieländer.
2. Der Kampf gegen die Überhitzung am Immobilien-Markt und die Exzesse am Kredit-Markt erhöht kurzfristig die Unsicherheit und drückt auf das Wachstum, macht aber das Finanzsystem und die Wirtschaft Chinas langfristig stabiler.
3. Das 2020 unterzeichnete Freihandels-Abkommen RCEP hat in der Region Asien/Pazifik die größte Freihandels-Zone der Welt geschaffen. Davon wird China als stärkstes Mitglied langfristig profitieren.
4. Peking hat die Wirtschaft in den letzten Jahren meist erfolgreich gesteuert. Auch in der aktuellen Situation hat die Regierung viele Möglichkeiten die Wirtschaft und das Wachstum zu stützen z.B. durch neue Investitionen in die Infrastruktur und den Klimaschutz oder eine Stützung des Konsums.
5. China ist im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kaum angewiesen auf Auslandskapital. Das macht es für Peking einfacher, das Finanzsystem stabil zu halten. Die Bemühungen der Regierung, die Wirtschaft autarker zu machen, sind einerseits bedenklich, andererseits könnte das dazu beitragen, dass sich Chinas Börse unabhängiger von den anderen Aktien-Märkten entwickelt. Für Anleger ist das aus Gründen der Diversifikation des Depots positiv.
Mein Fazit
In China bzw. in chinesischen Aktien zu investieren, ist zweifellos problematisch. Peking ist dabei die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verändern und nimmt dabei wenig Rücksicht auf Anlegerinteressen. Niemand weiß, was da in den nächsten Monaten und Jahren noch kommt.
Allerdings wird die Regierung Wachstum und wirtschaftliche Stabilität nicht grundsätzlich gefährden. Trotz gestiegener Risiken und höherer Unsicherheit sollte China meiner Ansicht nach aber in keinem Aktien-Depot fehlen. Die aktuelle Kursschwäche ist daher für langfristige Anleger durchaus eine Einstiegs-Chance, auch wenn diese trotz charttechnischer Anzeichen einer Stabilisierung möglicherweise noch nicht beendet ist.
Eine Übergewichtung ist allerdings ebenfalls nicht angebracht. Nicht zuletzt weil es wie erläutert mehrere Gründe gibt, die Anlegern auch in Zukunft das Leben schwerer machen. Die Risiken sind größer als z.B. bei Investments in den USA oder Europa.
Bitte nicht vergessen: Kurzfristig auf eine Kurserholung einzelner Aktien oder des Gesamt-Marktes zu setzen, ist spekulativ. Das ist nur etwas für erfahrene Anleger, die in der Lage sind einen Plan aufzustellen und ihre Risiken zu begrenzen.
Mein Podcast-Tipp:
China-Aktien –
Wie groß ist das Risiko wirklich?
Ist China derzeit ein gefährliches Pflaster für Anleger? Keine Frage, der Ton wird rauer, die Risiken nehmen zu. Genau das, möchte ich in der heutigen Folge besprechen und natürlich auch darauf eingehen, wie ich mich persönlich jetzt mit meinen China-Investments verhalte.
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