Was sind defensive Branchen und wie kannst Du investieren?
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Aktienmärkte sind vergleichsweise gut in das neue Jahr gestartet. Das trifft besonders auf die europäischen Börsen zu, der DAX z.B. kletterte auf den höchsten Stand seit Ende März 2022. Auch die chinesischen Aktienindizes erholten sich deutlich, vor allem wegen der Hoffnung auf eine Belebung der Konjunktur infolge des Wegfalls der Corona-Beschränkungen. Der US-Aktienmarkt legte zwar ebenfalls in den ersten Januar-Tagen zu, allerdings vergleichsweise moderat.
An der Wall Street herrscht derzeit anscheinend eine größere Skepsis, und würden wir den Aktienexperten Michael Wilson von der US-Großbank Morgan Stanley fragen, dann erhielten wir vermutlich diese Antwort: Der Optimismus ist noch viel zu groß! Wilson rechnet für 2023 mit einem deutlichen Rückgang der Unternehmensgewinne und damit einhergehend auch mit schwächeren Aktienkursen. Damit steht er nicht allein, wie ich in meinem aktuellen Video "Es wird schlimmer als die Finanzkrise!" erläutere.
Defensive Sektoren übergewichten
Wilson rät aber deswegen nicht komplett von Aktien ab, sondern passt in erster Linie seine Branchengewichtung an. Defensive Sektoren wie Gesundheit (Health care), Basis-Konsumgüter (Staples) und Versorger (Utilities) hat er selbst übergewichtet. Doch warum eigentlich und was zeichnet defensive Sektoren überhaupt aus?
Es gibt Branchen, die stärker von konjunkturell bedingten Schwankungen bei der Nachfrage betroffen sind und solche die sich davon relativ unbeeindruckt zeigen. Nimmt das Wachstum ab und die Menschen haben weniger Geld in der Tasche, dann wird z.B. an größeren Anschaffungen wie Autos gespart, der Urlaub wird gestrichen und der Hausbau verschoben. Automobilbau, Tourismus und Immobilien zählen daher z.B. nicht zu den defensiven Sektoren.
Lebensmittel oder andere Güter des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Waschmittel und Toilettenpapier werden aber weiterhin gekauft. Da lässt sich die Nachfrage nicht so einfach verringern. Auch Medikamente werden weiter benötigt und der Arztbesuch ist ebenfalls meist nicht zu verschieben. Strom und Gas werden ebenfalls weiter verbraucht. Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen aus den Bereichen Gesundheit, Basis-Konsum und Versorgung anbieten, sehen sich auch in einem konjunkturellen Abschwung kaum mit einer geringeren Nachfrage konfrontiert.
Das sorgt dafür, dass sich die Einnahmen von Unternehmen aus diesen Branchen kontinuierlicher entwickeln. Nicht selten finden sich hier auch attraktive Dividendenaktien. Das Wachstum ist meist nicht hoch, aber die Einnahmen sind konstant. Die Unternehmen schütten daher die Gewinne zum großen Teil als Dividenden aus. Natürlich ist aber nicht jede Aktie aus den genannten Branchen gleich attraktiv, es gibt Unterschiede z.B. in der Marktposition, in der Qualität des Managements etc. Beim "Stockpicking" kommt man um eine detaillierte Aktienanalyse nicht herum.
Welche ETFs sind geeignet?
Hat man dafür aber nicht die Zeit oder fehlt das Know-how, dann sind ETFs, die eine entsprechende Auswahl vornehmen, eine Alternative. Meines Wissens nach gibt es aber keine börsennotierten Fonds, die explizit auf defensive Aktien vor allem aus den genannten drei Branchen setzen.
Es gibt allerdings ETFs, die aus einem bestimmten Index, z.B. dem MSCI World oder dem US-Aktienindex S&P 500, die Aktien mit der geringsten Volatilität auswählen. Das sind dann tendenziell Aktien aus den genannten defensiven Branchen, denn diese zeichnen sich durch geringere Kursschwankungen als Aktien aus zyklischen Branchen oder als Technologiewerte aus.
Der SPDR S&P 500 Low Volatility ETF (ISIN: IE00B802KR88 | WKN: A1J3PA) wählt aus dem S&P 500 Index die 100 Aktien mit der geringsten Volatilität aus. Die Branchen Versorgung (26,2%), Basiskonsumgüter (21,8%) und Gesundheitswesen (14,9%) haben die höchste Gewichtung. Die Dividendenrendite des Index beträgt aktuell 2,5 Prozent.
Auf Sicht der letzten Jahre zeigte der S&P 500 Low Volatility-Index aber eine schwächere Performance als der S&P 500-Index. Das gilt besonders für die Zeit von Anfang 2020 bis Anfang 2021, als die Technologieaktien den Gesamtmarkt antrieben. In den letzten Monaten hat sich das allerdings geändert, wie der Vergleichschart zeigt:
Der SPDR S&P 500 Low Volatility ETF richtet den Fokus aber nur auf die USA, wer international investieren möchte, der kann sich den iShares Edge MSCI World Minimum Volatility ETF (ISIN: IE00B8FHGS14 | WKN: A1J781) ansehen. Der zugrundeliegende MSCI World Minimum Volatility-Index wählt aus dem MSCI World die Aktien mit der geringsten Volatilität aus.
Er bietet zwar gegenüber dem Mutterindex eine höhere Gewichtung der genannten drei Sektoren, diese fällt aber mit zusammen etwa 40 Prozent nicht so hoch aus wie beim SPDR S&P 500 Low Volatility ETF (63%). Auch der iShares Edge MSCI World Minimum Volatility ETF zeigte in den letzten Monaten eine Outperformance gegenüber einem MSCI World ETF:
Wer allerdings ausschließlich in die drei Sektoren Gesundheit, Basis-Konsumgüter und Versorger investieren will, der kommt um einzelne Branchen-ETFs nicht herum.
Folgende drei ETFs investieren in Aktien aus den Industrieländern aus diesen drei Branchen:
• Xtrackers MSCI World Health Care (ISIN: IE00BM67HK77 | WKN: A113FD)
• iShares MSCI World Consumer Staples Sector (ISIN: IE00BJ5JP329 | WKN: A2PHCH)
• Lyxor MSCI World Utilities (ISIN: LU0533034558 | WKN: LYX0GS)
Mein Fazit
Den großen Pessimismus mancher Aktienexperten in Bezug auf das Börsenjahr 2023 teile ich nicht. Trotzdem dürften Aktien aus defensiven Branchen wie schon in den letzten Monaten eine Outperformance zeigen. Der SPDR S&P 500 Low Volatility ETF ist eine einfache Möglichkeit, um am US-Aktienmarkt die Sektoren Gesundheit, Versorger und Basis-Konsumgüter im Depot höher zu gewichten.
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Dein
Lars Erichsen
Chefredakteur Rendite-Report
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