Die Entwicklung bei Gold hat viele enttäuscht – zu Recht?
Liebe Leserin, lieber Leser,
viele sind überrascht von der Entwicklung des Gold-Preises in den letzten Monaten. Angesichts des Krieges in der Ukraine und all der anderen Krisen müsste das Edelmetall als sicherer Anlagehafen doch stärker gefragt sein? Dazu kommt noch die rekordhohe Inflation. Doch auch die Geldentwertung scheint die Anleger nicht in Gold zu treiben.
Kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges Anfang März ist Gold in Dollar gerechnet fast bis zum Allzeithoch vom August 2020 gestiegen. Danach ging es aber wieder abwärts, Ende Juli ist der Preis auf den tiefsten Stand seit März 2021 gefallen. Zuletzt gab es allerdings wieder eine Erholung, bzw. Stabilisierung:
Gold hat besser abgeschnitten als viele denken
Allerdings hat sich Gold in den letzten Jahren nicht so schlecht entwickelt, wie es für viele den Anschein hat. Anleger aus dem Euro-Raum haben von der Abwertung des Euro profitiert. So ist der Gold-Preis je Unze in Euro gerechnet seit Anfang 2021 um etwa 10% gestiegen, während die Notierung in US-Dollar gerechnet um etwa 5% gefallen ist:
Und auch der langfristige Vergleich mit einem Investment am Aktien-Markt fällt nicht so schlecht aus. In den letzten 4 Jahren, also über die Einbrüche während der Corona-Krise Anfang 2020 und über den Einbruch durch den Ukraine-Krieg hinweg, hat sich der Gold-Preis in Euro gerechnet besser entwickelt als ein ETF auf den MSCI World Index:
Das Ergebnis solcher Vergleiche hängt allerdings stark vom gewählten Startpunkt ab. Doch erst wenn man den Startpunkt deutlich vor dem Jahr 2018 ansetzt, hat der MSCI World ETF den Gold-Preis deutlich outperformt. Gold hat also in den Krisen der letzten Jahre durchaus zur Stabilisierung des Depots beigetragen, so viel kann man sagen.
Die Zinsen und der US-Dollar beeinflussen den Gold-Preis
Doch zurück zur aktuellen Entwicklung: Hauptgrund für die jüngste Erholung dürfte der Rückgang der Anleiherenditen in den USA sein. Seit dem Hoch bei etwa 3,4 Prozent Mitte Juni ist die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen zeitweise wieder bis auf 2,6 Prozent gefallen.
Der starke Zinsanstieg in den Monaten zuvor hatte das zinslose Gold für viele Anleger unattraktiver gemacht. Das zeigt einmal mehr, dass die Zinsentwicklung hauptverantwortlich ist für die kurz- und mittelfristige Entwicklung beim Gold-Preis.
Das Verhalten der Anleger spiegelt sich in den Zu- und Abflüssen bei den Gold-ETFs wider, die von allen Komponenten der Gold-Nachfrage am schnellsten auf Veränderungen reagiert. Die Abflüsse aus den ETFs haben sich im Juli nochmals auf 81 Tonnen beschleunigt und damit den höchsten Stand seit März 2021 erreicht.
Das korrespondiert mit dem starken Preisrückgang bis Mitte Juli. In den letzten Tagen kam es aber wieder zu Zuflüssen.
Zur Stabilisierung beim Gold-Preis hat auch beigetragen, dass der US-Dollar seine Aufwertungstendenz seit Mitte Juli nicht fortgesetzt hat. Gegenüber vielen Währungen wurde das höchste Kursniveau seit Jahrzehnten erreicht, wenn nicht sogar Allzeithochs.
Ein starker „Greenback“ macht das in US-Dollar gehandelte Gold aber für Anleger aus anderen Währungsräumen teurer. Mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Nachfrage. Dazu kommt, dass viele spekulativ orientierte Anleger – und nicht nur die – den US-Dollar als sicheren Anlagehafen Gold vorziehen.
Damit sind auch die zwei Entwicklungen genannt, die dazu führen würden, dass der Gold-Preis wieder steigt:
1. Der Anstieg der Anleiherenditen dürfte sich nicht fortsetzen. Speziell die realen Zinsen, also die nominalen Renditen (abzüglich der Inflationsrate) sollten nicht weiter steigen oder am besten fallen.
2. Die Aufwertungstendenz beim US-Dollar sollte sich umkehren, damit die US-Währung für Anleger zugunsten von Gold weniger attraktiv wird.
Beides ist dann wahrscheinlich, wenn die US-Notenbank von ihrer aktuellen Zinspolitik abrückt. Im Moment sieht das nicht danach aus, für die Sitzung im September wird nach den zuletzt starken US-Arbeitsmarktdaten mit einer weiteren Anhebung des Leitzinses um 75 Basispunkte gerechnet.
Für das Jahr 2023 erwarten allerdings viele bereits wieder eine Zinswende, weil sich die Konjunktur stark abschwächt. Das ist sehr umstritten und ich würde zumindest nicht darauf wetten. Allerdings kann niemand die geopolitischen Entwicklungen oder auch das Ergebnis der Wahlen in den USA im Herbst vorhersagen.
Mein Fazit
Ich bleibe dabei: Langfristig halte ich zur Absicherung gegen Krisen und zur Diversifikation einen Anteil von 8 bis 12% Gold am Anlage-Depot für angemessen. Am besten physisch in Form von Münzen oder Barren.
Bei kurz- und mittelfristigen Positionen orientiere ich mich aber vor allem an der aktuellen charttechnischen Einschätzung zum Gold-Preis. Und diese liefert bisher noch keine Signale für eine Wende nach oben.
Sollten sich aber eine Wende beim US-Dollar, sprich eine Abwertungstendenz, abzeichnen und die Anleiherenditen zumindest nicht weiter zulegen, dann kann Gold für kurzfristig orientierte Anleger rasch wieder an Attraktivität gewinnen. Im Moment sehe ich das wie gesagt nicht, behalte aber die Entwicklung im Blick.
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