Warum der europäische Aktien-Markt aufholen kann!
Liebe Leserin, lieber Leser,
Europa kommt wirtschaftlich gesehen langsamer aus der Corona-Krise als die USA. Das hat mehrere Gründe: In den USA verläuft die Impfkampagne schneller, dadurch konnte die dritte Corona-Welle anders als in vielen Ländern Europas weitgehend vermieden werden.
Darüber hinaus haben die USA viel tiefer in die Kiste wirtschafts- und geldpolitischer Instrumente gegriffen als z.B. die Eurozone. Staatliche Unterstützungsprogramme und Investitionen wurden in weit größerem Maße ausgeschöpft. Das Haushaltsdefizit in den USA lag 2020 bei enormen 15%, in den 27 EU-Staaten zusammengenommen dagegen "lediglich" bei 7,5%.
Dieser massive fiskalische Impuls wurde unterstützt durch die Geld-Politik, die US-Notenbank hatte dafür mehr Spielraum als die Europäische Zentralbank. Der Leitzins in den USA wurde auf ein historisches Tief von 0 Prozent gesenkt, in der Eurozone lag er bereits vor Corona im negativen Bereich.
US-Wirtschaft mit Rekord-Wachstum
Die starke staatliche Reaktion der USA auf die Krise – wie auch immer man deren langfristige Folgen einschätzen mag – zeigt kurzfristig Wirkung. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts wird 2021 mit etwa 7 Prozent so hoch ausfallen wie seit Jahrzehnten nicht.
Und während in den USA die Prognosen in den letzten Monaten nach oben korrigiert wurden, mussten sie für die europäische Wirtschaft wegen des Rückschlags durch die dritte Corona-Welle nach unten angepasst werden.
Die folgende Grafik zeigt, dass der wirtschaftliche Einbruch in der Eurozone 2020 nicht nur stärker ausfiel als in den USA, die Erholung erfolgt auch langsamer. 2022 könnten sich aber die Wachstumsraten im Bereich von etwa 4 Prozent angleichen. Mit anderen Worten: Die europäische Wirtschaft holt auf.
Davon werden auch viele europäische Unternehmen profitieren, besonders solche, die auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind. Eher international aufgestellte Konzerne, wie z.B. die deutschen Automobil-Unternehmen, profitieren bereits jetzt stark von der Erholung der Weltkonjunktur, besonders von der Stärke des chinesischen Marktes.
Europäische Aktien könnten daher zunehmend gefragt sein, nicht zuletzt im Vergleich zu den meist höher bewerteten US-Aktien. Diese Höherbewertung hat natürlich meist gute Gründe, die aktuell stärkere Verfassung der US-Konjunktur ist nur einer davon.
Outperformance des US-Aktienmarktes
Dazu kommt, dass die USA in vielen zukunftsträchtigen Technologie-Branchen die Nase vorn haben. Während der Corona-Krise konnten sich diese besser behaupten oder sogar von der beschleunigten Digitalisierung profitieren. Unternehmen, die in solchen Sektoren gut aufgestellt sind, haben auch langfristig bessere Wachstumsaussichten und sind damit zu recht höher bewertet als Unternehmen aus eher traditionellen Branchen, wie z.B. Automobil, Konsum, Chemie u.a.
Besonders die großen global tätigen Internet-Konzerne mit Plattformen, an denen kaum noch jemand vorbeikommt, wie Apple, Amazon, Facebook, Microsoft und Alphabet, haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass sich der US-Index S&P 500 deutlich besser entwickelt hat als der ebenfalls breit aufgestellte Stoxx Europe 600 Index:
Der Vergleichs-Chart zeigt allerdings auch, dass sich diese Underperformance des europäischen gegenüber dem US-Aktienmarkt erst in den letzten 5 Jahren massiv verstärkte. Davor war der Unterschied nicht so gravierend.
Dass sich diese Tendenz dauerhaft umkehrt, ist unwahrscheinlich, denn Trends wie die Digitalisierung werden anhalten und die USA sind hier besser aufgestellt. Allerdings könnten internationale Anleger in den nächsten Monaten durchaus ihre Portfolios umschichten und wieder mehr auf europäische Aktien setzen.
Wie in europäische Aktien investieren?
Die Verschiebung des regionalen Schwerpunkts geht dabei einher mit einem veränderten Branchenfokus: Aktien aus zyklischen Sektoren wie Automobil, Chemie etc. werden gegenüber Technologie-Aktien bevorzugt. In Europa gibt es mehr günstig bewerte Aktien aus zyklischen oder generell aus traditionellen Branchen als in den USA.
Manche Statistiken zeigen diese Tendenz bereits: Im Mai haben US-Anleger mit fast 6 Milliarden US-Dollar so viel in ETFs mit europäischem Fokus investiert wie seit 2015 nicht mehr.
Wie Du sicher weißt, ist für mich das direkte Investment in einzelne Aktien die Königsdisziplin in der langfristigen Anlage. Und hier wird man in Europa durchaus fündig. In meinem langfristig ausgerichteten Zukunfts-Depot bei den „Rendite-Spezialisten“ befinden sich z.B. elf interessante Aktien aus Europa.
Wer allerdings nicht einzelne Aktien herausfiltern möchte oder kann, für den ist ein ETF auf den Stoxx Europe 600 oder den MSCI Europe Index eine Alternative. Beide Indizes bilden den europäischen Aktien-Markt in seiner Breite ab und zeigen eine ähnliche Zusammensetzung, es sind auch Aktien aus der Schweiz und Großbritannien enthalten.
Die 5 Schwergewichte in beiden Indizes sind der Schweizer Nahrungsmittel-Konzern Nestlé, der niederländische Chip-Ausrüster ASML Holding, der Schweizer Pharma-Konzerne Roche und Novartis und der französische Luxusmarken-Konzern LVMH.
Knapp 23% der Aktien in den beiden Indizes stammen aus Großbritannien, 18% aus Frankreich und je 15% aus Deutschland und der Schweiz.
Mein Fazit
Eine Veränderung der Gewichtung einzelner Regionen oder Branchen in den Portfolios internationaler Anleger ist spannend und kann auch für Privatanleger kurz- und mittelfristige Chancen eröffnen. Allerdings solltest Du Erfahrung als Anleger haben, um das für Dich auszunutzen. Solche Umschichtungen können schnell auch wieder eine andere Richtung nehmen.
Als langfristig orientierter Anleger solltest Du Deine Entscheidungen aber vor allem auf Basis der Analyse von Einzel-Aktien treffen. Ein Aktien-Portfolio sollte dabei regional und branchenmäßig möglichst breit gestreut sein. Das gilt auch, wenn Du ETFs einem Investment in Einzel-Aktien vorziehst.
Sollten die letzten Jahre in deinem Portfolio zu einer – angesichts der Kursentwicklung im Rückblick durchaus gerechtfertigten – Übergewichtung von US-Aktien geführt haben, so ist es eine gute Idee diese zu überprüfen. Jedenfalls dann, wenn Du die Schwankungen in Deinem Gesamt-Portfolio durch eine gute Streuung verringern willst.
Mein Podcast-Tipp:
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