China sollte in keinem ausgewogenen Aktien-Depot fehlen...
Liebe Leserin, lieber Leser,
es zeichnete sich schon länger ab, dass die Bemühungen Pekings, die Macht der Internet-Plattformen – anfangs war vor allem Alibaba das Ziel – durch mehr Regulierung zu kontrollieren, nicht eben förderlich sind, um das Vertrauen ausländischer Anleger in den chinesischen Kapital-Markt zu stärken.
Mit der Ankündigung auch den privaten Bildungs-Sektor zu reformieren, wurde aber eine neue Dimension erreicht. Das löste in der letzten Woche einen Kurssturz am chinesischen Aktien-Markt aus. Dabei geht es längst nicht nur um diese konkrete Maßnahme, viele Anleger nahmen dies offenbar als weiteres Zeichen dafür, dass es sich um einen grundlegenden Politik-Wechsel handelt und weitere Regulierungen folgen könnten.
Welche Absichten Peking damit vermutlich verfolgt und warum der Kursrückgang meiner Ansicht nach für langfristige Anleger eine Einstiegschance bei chinesischen Aktien darstellt, darauf gehe ich in meinem Video vom Montag "China-Aktien: Einmalige Kauf-Chance?" ausführlich ein.
Die Konjunktur in China verliert etwas an Schwung
Die zunehmenden Regulierungen Pekings sind aber nur ein Grund dafür, dass sich der chinesische Aktien-Markt in den letzten Monaten schwächer entwickelte als die Märkte in den USA, Europa und auch als der MSCI World. Auch das Wachstumstempo in China kühlt sich ab, das trägt zur schlechten Stimmung der Anleger bei.
Der von einem privaten Institut erhobene Caixin Einkaufsmanager-Index für das verarbeitende Gewerbe verdeutlicht das: Wie am Montag gemeldet fiel er im Juli stärker als erwartet von 51,3 auf 50,3 Punkte, und bleibt damit gerade noch so im expansiven Bereich oberhalb von 50 Punkten. Es ist der tiefste Stand seit 15 Monaten. Dafür sind zum einen dieselben Gründe verantwortlich, die auch der Industrie in Deutschland und anderen Ländern zu schaffen machen, nämlich steigende Kosten für Rohstoffe und Vorprodukte und Lieferengpässe bei vielen Produkten.
Corona hat schonungslos aufgezeigt, wie abhängig die Weltwirtschaft von reibungslos funktionierenden Lieferketten abhängig ist. Industrie-Unternehmen betreiben kaum noch Lagerhaltung. Fehlen auch nur kleine Bauteile, steht die Produktion still. Die Hoffnung, die Lieferketten würden rasch wieder so gut funktionieren wie vor Corona, könnte sich als trügerisch erweisen.
Corona lässt nicht locker
In Ostasien breitet sich zudem die Delta-Variante verstärkt aus. Die Fallzahlen sind zwar relativ klein, aber Länder wie China verfolgen eine „Null-Covid-Strategie“. Weitere regionale Shutdowns sind nur eine Frage der Zeit. Die wieder steigende Bedrohung durch Corona dürfte auch zur Eintrübung der Stimmung im verarbeitenden Gewerbe, nicht nur in China, sondern auch in Indonesien, Vietnam und Malaysia beigetragen haben. Der IWF hat daher seine Wachstumsprognose für die Schwellenländer Asiens von +8,6% auf +7,5% gesenkt.
Eine Verlangsamung des Wachstumstempos mag ausreichen, um manche Anleger zu beunruhigen, es ändert aber nichts daran, dass der chinesische Aktien-Markt langfristig große Chancen bietet.
Einige Gründe dafür habe ich in meinem Report "China-Aktien: Jetzt einsteigen?" genannt:
1. Die Wirtschaft wird dank Produktivitätsfortschritten weiterhin stärker wachsen als die der klassischen Industrieländer.
2. Der zielgerichtete und wie immer planmäßige Umbau zu einer mehr vom inländischen Konsum getriebenen Wirtschaft zahlt sich mehr und mehr aus.
3. Mit dem Freihandelsabkommen RCEP, an dem 15 asiatische Länder beteiligt sind, stärkt Peking den regionalen Handel und macht die Wirtschaft unabhängiger von der Export-Nachfrage aus den USA und Europa.
Kurz gesagt: Chinesische Aktien sollten daher meiner Ansicht nach in keinem ausgewogenen Depot fehlen.
Wie am chinesischen Aktien-Markt investieren?
Wer allerdings in einzelne Aktien investieren möchte, sollte die jeweiligen Unternehmen gut analysieren. Fehlen dazu die Zeit und/oder das Know-how, dann sind ETFs eine gute Alternative. Allerdings ist die Vielfalt der ETFs etwas verwirrend. Und das liegt auch an der Struktur des chinesischen Aktien-Marktes.
Chinesische Aktien werden nicht nur an den „Festland-Börsen“ in Shanghai und Shenzhen gehandelt, sondern auch in Hongkong, Singapur oder als ADRs in den USA. Die so genannten „A-Aktien“ aus Shanghai oder Shenzhen machen zwar zwei Drittel der Marktkapitalisierung chinesischer Aktien aus, waren aber lange ausschließlich für inländische Anleger handelbar.
Es gibt verschiedene Indizes bzw. ETFs, die die einzelnen Aktien-Gattungen widerspiegeln. Im Hang-Seng China Enterprises Index sind z.B. die an der Börse in Hongkong notierten Aktien mit Sitz in Festland-China zusammengefasst. Darüber hinaus gibt es ETFs, die sich nur auf chinesische A-Aktien, die in Shanghai und Shenzhen notiert sind, beziehen.
Der breit gefächerte MSCI China Index
Im MSCI China Index sind dagegen alle Aktien-Gattungen vertreten, nämlich A- und B-Aktien, in Hongkong gelistete Aktien und an ausländischen Börsen notierte Aktien (z.B. ADRs). Es gibt mehrere ETFs auf diesen Index. Mit relativ niedrigen Gebühren von 0,30% pro Jahr kann der HSBC MSCI China UCITS ETF (ISIN: IE00B44T3H88 | WKN: A1JHYT) punkten. Der ETF ist ausschüttend und voll replizierend, d.h. alle Aktien im Index werden von der Fondsgesellschaft auch tatsächlich gekauft.
Die größten Aktien im MSCI China Index sind Tencent und Alibaba. Auf die beiden Titel entfallen allein 25,9% der Gewichtung. Mit 736 Aktien umfasst der Index stattliche 85% des chinesischen Aktien-Universums.
Allerdings gehen die A-Aktien nur mit einem bestimmten Anteil ihrer Marktkapitalisierung in den Index ein, aktuell 20%. Das begünstigt das hohe Gewicht der beiden Internet-Aktien. Dieser Anteil wird aber durch MSCI nach und nach erhöht, so dass die "Klumpenbildung" durch die beiden Schwergewichte im Index allmählich abnimmt.
MSCI China Index: Die 10 Schwergewichte
Rang |
Aktie |
Branche |
Gewicht im Index |
1 |
Alibaba |
Internet/IT |
13,2% |
2 |
Tencent |
Internet/IT |
12,7% |
3 |
Meituan |
Internet/IT |
3,6% |
4 |
China Construction Bank |
Banken |
2,4% |
5 |
JD.com ADR |
Internet/IT |
2,2% |
6 |
NIO ADR |
E-Mobilität |
2,1% |
7 |
Ping An Insurance |
Versicherungen |
2,0% |
8 |
Wuxi Biologics |
Gedundheit |
1,8% |
9 |
Xiaomi |
Smartphones |
1,7% |
10 |
Baidu ADR |
Internet |
1,6% |
Insgesamt:
|
43,3% |
Im MSCI China Index sind wie gesagt auch ADRs enthalten. Bei den beiden größten Positionen, Tencent und Alibaba, sind aber die in Hongkong notierten Aktien enthalten, und nicht die an den US-Börsen gelisteten ADRs.
ADRs sind in Verruf geraten, weil die Gefahr besteht, dass diese von den US-Behörden vom Handel ausgesetzt werden bzw. es US-Anlegern verboten wird die Zertifikate – denn darum handelt es sich bei ADRs – zu kaufen. Darauf gehe ich ebenfalls in meinem aktuellen Video "China-Aktien: Einmalige Kauf-Chance?" näher ein.
FTSE China 50 Index: Nur chinesische Aktien aus Hongkong
Wer ADRs vermeiden und nur in chinesische Aktien investieren möchte, die an der Börse in Hongkong notiert sind, für den ist der iShares China Large Cap UCITS ETF (ISIN: IE00B02KXK85 | WKN: A0DK6Z) eine gute Alternative. Der ETF spiegelt die Kursentwicklung des FTSE China 50 Index mit den 50 größten chinesischen Aktien an der Börse Hongkong wider.
FTSE China 50 Index: Die 10 Schwergewichte
Rang |
Aktie |
Branche |
Gewicht im Index |
1 |
Alibaba |
Internet/IT |
9,4% |
2 |
Tencent |
Internet/IT |
8,2% |
3 |
Meituan |
Internet/IT |
7,1% |
4 |
China Construction Bank |
Banken |
5,9% |
5 |
Wuxi Biologics |
Gedundheit |
5,0% |
6 |
Ping An Insurance |
Versicherungen |
4,8% |
7 |
JD.com |
Internet/IT |
4,7% |
8 |
Xiaomi |
Smartphones |
4,4% |
9 |
ICBC |
Banken |
4,4% |
10 |
Netease |
Internet/IT |
3,5% |
Insgesamt:
|
57,4% |
Du weißt es bestimmt, ich habe es schon des Öfteren erwähnt: Grundsätzlich halte ich es in einem langfristigen Depot für sicherer in die Original-Aktien zu investieren als in ADRs.
Allerdings sind 2 Punkte hier wichtig:
1. Fondsgesellschaften haben andere Möglichkeiten als Privatanleger. Sollten ADRs vom Handel ausgesetzt werden, dann können diese frühzeitig reagieren. Man sollte das Risiko also auch nicht überschätzen, wenn ADRs in einem ETF enthalten sind.
2. Auch viele der in Hongkong notierten Aktien, darunter die von Tencent, Alibaba und JD.com sind Holdings, meist mit Sitz auf den Cayman Inseln. Wer die Wertpapiere im Depot hat, besitzt damit ein Recht auf einen Anteil am Gewinn des Unternehmens, er besitzt aber nicht die vollen Aktionärsrechte.
Die Konstruktion wird als Variable Interest Entities (VIE) bezeichnet. Chinesische Firmen müssen darauf zurückgreifen, weil nur auf diese Weise ausländische Privatanleger in die Unternehmen investieren dürfen. Eigentumsrechte mit dem entsprechenden rechtlichen Schutz erwirbt man als Anleger aber nicht.
Es handelt sich hier um eine rechtliche Grauzone, der chinesische Staat könnte leicht die Regeln ändern bzw. verschärfen. Allerdings würde das den internationalen Finanzplatz Hongkong bzw. China massiv schädigen und hätte eine Kapitalflucht ausländischer Anleger zur Folge. Das liegt nicht im Interesse Pekings.
Im Übrigen solltest Du nicht vergessen: China ist kein Rechtsstaat. Wenn die Regierung keinen Wert mehr auf das Ansehen Chinas bei internationalen Investoren legt, dann dürften ausländischen Anlegern auch weitergehende Aktionärsrechte nichts nutzen. Dieses Risiko gibt es immer, wenn man in Ländern wie China investiert.
Wer nur in chinesische A-Aktien investieren möchte, die in Shanghai und Shenzhen notiert sind, der kann z.B. auf den iShares MSCI China A UCITS ETF USD (ISIN IE00BQT3WG13 | WKN: A12DPT) setzen. Finanz-Werte besitzen in diesem Index mit fast 20% ein hohes Gewicht, danach folgen nicht-zyklische Konsumgüter und Industrie.
Die IT- und Internetbranche erscheint unterrepräsentiert, gerade weil die großen Konzerne in diesem Bereich den Weg über die Börse Hongkong oder als ADRs gewählt haben.
Mein Fazit
"Den" besten China-ETF gibt es nicht. Es gibt unterschiedliche ETFs für unterschiedliche Ziele. ETFs auf den MSCI China Index ermöglichen ein breites Investment in den gesamten chinesischen Aktien-Markt. Die zuletzt unter die Räder geratenen Internet-Konzerne Alibaba und Tencent besitzen ein hohes Gewicht. Nachteil: Es sind auch ADRs im Index enthalten.
Der ETF auf den FTSE China 50 Index hat den Vorteil, dass keine ADRs im Index enthalten sind. Allerdings spiegelt der Index nur einen Teil des chinesischen Aktien-Marktes wider, es fehlen z.B. die A-Aktien aus Shanghai und Shenzhen.
Der ETF auf den MSCI China A Index repräsentiert ebenfalls nur einen Teil des chinesischen Aktien-Marktes. Wer den Kursrückgang bei den Aktien der Internet-Konzerne wie Tencent. Alibaba und JD.com zum Einstieg nutzen möchte, der ist hier nicht richtig. Dafür spiegelt der Index aufgrund seiner breiten Streuung in viele Branchen gut die wirtschaftliche Entwicklung Chinas wider.
Insgesamt gilt für China-ETFs dasselbe, was ich auch in meinem Video zum direkten Investment in Aktien gesagt habe: China sollte zwar meiner Ansicht nach in keinem Aktien-Depot fehlen, eine Übergewichtung ist allerdings ebenfalls nicht angebracht. Auch weil die Risiken für Anleger größer sind als z.B. bei Investments in den USA oder Europa.
Mein Podcast-Tipp:
Goldman Sachs: Sind wir in einer Blase?
Sind wir aktuell in einer Blase? Wird es gefährlich am Aktien-Markt? Dazu liegt mir eine sehr interessante Studie von Goldman Sachs vor. In dieser Studie untersucht Goldman Sachs vergangene Blasen und zieht daraus Rückschlüsse für die Zukunft.
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