Haben die deutschen Autokonzerne den Anschluss verpasst?
Liebe Leser,
für Volkswagen, Daimler und BMW kommt es derzeit knüppeldick. Sie werden sehr unsanft aus ihrer Komfortzone, die sie sich über die letzten Jahrzehnte durch intensive Lobbyarbeit geschaffen haben, vertrieben.
Es geht ja keineswegs nur um kriminelle Manipulationen an den Abgaswerten, sondern auch um die von der Politik und den Aufsichtsbehörden – wenn man diese überhaupt so nennen darf – geduldete Umgehung von Grenzwerten.
Drohende Kartellstrafen drücken auf die Kurse
Auch die im Raum stehenden und von den Autokonzernen selbst zur Anzeige gebrachten Kartellabsprachen sind ein Zeichen dafür, dass sich da ein Branche für unangreifbar hielt.
Und die bisherige Reaktion auf den Abgasskandal legt nahe, dass sich daran bisher auch nichts geändert hat. Wenn Sie das an die Bankenbranche und das Jahr 2008 erinnert, dann zu Recht. Mir geht es genauso.
An den Börsen werden die Auto-Aktien jedenfalls zunehmend gemieden. Die Aktie von BMW z.B. hat wichtige charttechnische Unterstützungen unterschritten:
Kennzahlen: BMW |
WKN / ISIN: |
519000 / DE0005190003 |
Marktkapitalisierung: |
54,567 Mrd. EUR |
Umsatz 2017e: |
98,275 Mrd. EUR |
KGV 2017e / 2018e: |
7,3 / 7,1 |
Dividendenrendite 2017: |
4,7% |
Nach dem Fall unter die Marke von 80,00 Euro droht ein weiterer Kursrückgang.
Diesel-Gipfel: Geht die Kungelei weiter?
Ich habe meine Zweifel, ob der heute in Berlin stattfindende "Diesel-Gipfel" daran etwas ändert. Ein großer Befreiungsschlag mit einer echten Lösung – z.B. einer Hardware-Umrüstung der betroffenen Diesel-PKW – würde mich überraschen.
Wahrscheinlich werden die Konzerne mit dem Verlust von Arbeitsplätzen drohen und die Politiker werden durch Protektion und staatliche Hilfen ein Durchwursteln ermöglichen. Ich lasse mich da aber gern eines Besseren belehren.
Jedenfalls wage ich die These, dass eine echte Lösung des Stickoxid-Problems bei Diesel-PKWs langfristig gesehen dem Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland dienlicher wäre als das kurzfristige Vermeiden von Kosten.
Für uns als Anleger ist der Unterschied eigentlich nur ein zeitlicher: Eine echte Lösung würde die Bilanzen der Autokonzerne JETZT belasten. Ein Durchwursteln würde den Vertrauensverlust nur noch verstärken und LANGFRISTIG auf die Aktienkurse drücken.
Die deutschen Autokonzerne können das Steuer noch herumreißen
Ich will hier kein "VW-, Daimler- und BMW-Bashing" betreiben. Gerade Daimler und BMW haben in den letzten Jahren teils ordentliche Renditen eingefahren. Die Autos zählen wohl unbestritten technisch zu den besten der Welt – jedenfalls unter denen mit Verbrennungsmotor.
Und glaubt man Fachleuten, dann sind auch saubere Diesel möglich – man muss es nur wollen bzw. die höheren Kosten in Kauf nehmen. Auch bei Zukunftstechnologien wie der Elektromobilität etc. können die Deutschen vorne dabei sein, wenn sie die Zeichen der Zeit erkennen und ihre Vorteile ausspielen.
Niedrige Bewertung ist kein Kaufgrund
Das alles heißt aber leider nicht, dass ich die Aktien von Daimler, BMW und VW für kaufenswert halte. Trotz der optisch niedrigen Bewertung. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) von Volkswagen (5,5) und Daimler (6,6) sind sogar noch niedriger als bei BMW (7,3) – allesamt die niedrigsten KGVs aller DAX-Aktien übrigens. Auch die Dividendenrenditen von Daimler (5,9%) und BMW (4,7%) zählen auf dem aktuellen Kursniveau zu den höchsten im DAX.
Doch schon in den letzten Jahren hat die niedrige Bewertung eine schwache Kursentwicklung der Auto-Aktien nicht verhindern können. Besonders seit Anfang 2016 entwickeln sich die Titel von VW, BMW und Daimler schlechter als der DAX.
Alle drei verzeichnen in diesem Zeitraum Kursverluste, während der als Vergleichsmaßstab dienende DAX Kursindex (ohne Dividenden) um mehr als 13 Prozent zulegen konnte:
Bis 2015 entwickelten sich die Auto-Aktien in etwa im Gleichschritt mit dem DAX,
teils sogar etwas besser. Seit dem Abgasskandal hat sich das geändert.
Aber warum sollten die hohen Dividendenrenditen nicht Anleger anlocken und die Kurse wieder nach oben treiben? Bereits vor einer Woche habe ich an dieser Stelle an den Beispielen Daimler und ProSiebenSat1 ausgeführt, dass hohe Dividendenrenditen nicht automatisch als Qualitätsmerkmal für Aktien angesehen werden können.
Starker Wettbewerb und hohe Investitionen drücken auf die Gewinne
Meine Skepsis in Bezug auf die Auto-Aktien rührt dabei keineswegs nur von den drohenden Kartellstrafen, den Folgen des Abgasskandals und dem möglichen Verpassen von Zukunftstrends her. Selbst wenn das alles einigermaßen glimpflich ausgeht und die deutschen Autokonzerne verspieltes Vertrauen rasch zurückgewinne sollten, bleiben zwei grundsätzliche Probleme:
1. Die Wettbewerbsintensität im globalen Autosektor ist sehr hoch, das drückt dauerhaft auf die Gewinnmargen. Bei Massenherstellern wie z.B. Volkswagen, Toyota und General Motors mehr, bei Herstellern von Luxusautos wie Daimler und BMW etwas weniger. VW z.B. brachte es 2016 gerade mal auf eine magere Umsatzrendite von 2,4 Prozent.
2. Die im Vergleich zu anderen Branchen geringen Renditen werden in den nächsten Jahren zusätzlich durch steigende Kosten für Investitionen in Elektromobilität, selbstfahrende Autos und anderes gedrückt. Möglich dass die deutschen Hersteller diese Herausforderung meistern, aber für Aktionäre wird dabei nicht viel hängen bleiben.
Mein Fazit:
Wären die Probleme der deutschen Autokonzerne kurzfristiger Natur, dann wäre der Kursrückgang der Aktien von Daimler, BMW und VW eine Einstiegsgelegenheit für langfristig orientierte Anleger. Doch das ist meiner Ansicht nach nicht der Fall.
Denn selbst in einem positiven Szenario werden die Autokonzerne mit sinkenden Gewinnmargen zu kämpfen haben. Das heißt aber nicht, dass es nach dem Kursrutsch der letzten Wochen nicht Gegenbewegungen geben kann.
Doch das sind dann eher Chancen für kurzfristig orientierte Trader. Schauen Sie sich doch dazu meine Chartanalyse der Aktien von VW, BMW und Daimler hier in meinem Video-Kanal "Tradermacher" an. Auch Tesla nehme ich unter die Lupe!
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